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Ehe und Familienleben

5. Die Frau unter den sich entwickelnden Sitten

84:5.1

In der Selbst-Fortpflanzung ist die Frau dem Mann gleichgestellt, aber in der Partnerschaft zur Selbst-Erhaltung arbeitet sie mit einem entschiedenen Nachteil, und diese Behinderung durch die ihr aufgezwungene Mutterschaft kann nur wettgemacht werden durch die aufgeklärten Sitten der fortschreitenden Zivilisation und durch das wachsende Gefühl für Fairness vonseiten des Mannes.

84:5.2

Als die Gesellschaft sich entwickelte, erreichten die sexuellen Maßstäbe der Frauen ein höheres Niveau, weil sie stärker unter den Folgen einer Übertretung der sexuellen Sitten zu leiden hatten. Die sexuellen Maßstäbe des Mannes verbessern sich erst spät einfach aufgrund des Gefühls für Fairness, das die Zivilisation verlangt. Die Natur kennt keine Fairness – sie lässt die Frau die Geburtsschmerzen ganz allein ausstehen.

84:5.3

Die moderne Idee von der Gleichheit der Geschlechter ist sehr schön und steht einer wachsenden Zivilisation wohl an, aber sie findet sich in der Natur nicht. Wenn Gewalt Recht spricht, herrscht der Mann über die Frau; wenn mehr Gerechtigkeit, Frieden und Fairness walten, kommt sie allmählich aus Sklaverei und Dunkel heraus. Der soziale Rang der Frau in jeder Nation und zu jeder Zeit hat im Allgemeinen in umgekehrtem Verhältnis zum Grad an Militarismus gestanden.

84:5.4

Aber der Mann bemächtigte sich nicht bewusst oder absichtlich der Rechte der Frau und gab sie ihr dann schrittweise und widerwillig wieder zurück; all das war eine unbewusste und nicht geplante Episode der gesellschaftlichen Evolution. Als die Zeit für die Frau wirklich gekommen war, sich zusätzlicher Rechte zu erfreuen, erhielt sie diese, und zwar völlig unabhängig von der bewussten Haltung des Mannes. Langsam aber sicher ändern sich die Sitten, so dass sie jene gesellschaftlichen Anpassungen erlauben, die Teil der ständigen Evolution der Zivilisation sind. Die sich weiterentwickelnden Sitten brachten langsam eine immer bessere Behandlung der Frauen mit sich; jene Stämme, die sich ihnen gegenüber weiterhin grausam verhielten, überlebten nicht.

84:5.5

Die Adamiten und die Noditen gestanden den Frauen wachsende Anerkennung zu, und die Gruppen, die mit den wandernden Anditen in Berührung kamen, neigten dazu, sich von den edenischen Lehren über die Stellung der Frau in der Gesellschaft beeinflussen zu lassen.

84:5.6

Die frühen Chinesen und die Griechen behandelten die Frauen besser als die meis­ten der sie umgebenden Völker. Aber die Hebräer misstrauten ihnen auß­erordentlich. Im Abendland hatten die Frauen unter der Herrschaft der paulinischen Lehren, die mit dem Christentum verknüpft worden waren, einen schwierigen Aufstieg, obwohl das Christentum die Sitten tatsächlich dadurch voranbrachte, dass es den Männern strengere sexuelle Verpflichtungen auferlegte. Ihre Lage ist nahezu hoffnungslos angesichts ihrer Erniedrigung, die für den Mohammedanismus bezeichnend ist, und es ergeht ihnen noch schlimmer unter den Lehren mehrerer anderer orientalischer Religionen.

84:5.7

 Es war die Wissenschaft und nicht die Religion, die die Frauen wirklich emanzipierte, und es war die moderne Fabrik, die sie weitgehend aus ihrer Be­schrän­kung auf das Heim befreite. Die physischen Fähigkeiten des Mannes büßten im neuen Mechanismus des Lebensunterhalts ihre entscheidende Bedeu­tung ein, und die Wissenschaft veränderte die Lebensbedingungen derart, dass die Kraft des Mannes der Kraft der Frau nicht mehr so sehr überlegen war.

84:5.8

Diese Veränderungen haben alle dahingewirkt, die Frau von der häuslichen Sklaverei zu befreien, und sie haben einen derartigen Wandel ihrer Stellung verursacht, dass sie sich jetzt eines Grades persönlicher Freiheit und sexuellen Über-Sich-Verfügens erfreut, der dem des Mannes praktisch gleichkommt. Einst wurde der Wert einer Frau an ihrer Fähigkeit, Nahrung zu produzieren, gemessen, aber Erfindung und Reichtum haben sie in den Stand versetzt, eine neue Welt ihres Wirkens zu erschaffen – Sphären der Anmut und des Reizes. So hat die Industrie ihren unbewussten und unbeabsichtigten Kampf für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Emanzipation der Frau gewonnen. Und einmal mehr hat Evolution erfolgreich geschafft, was sogar der Offenbarung zu vollbringen versagt war.

84:5.9

Die Reaktion der aufgeklärten Völker auf die Ungerechtigkeit der Sitten, die den Platz der Frau in der Gesellschaft regieren, schlug wie eine Pendel­bewegung ins andere Extrem aus. Unter den industrialisierten Rassen hat die Frau nahezu alle Rechte erhalten und ist von vielen Verpflichtungen wie z. B. dem Militärdienst ausgenommen worden. Jede Erleichterung des Existenz­kampfes hat zu ihrer Befreiung beigetragen, und jeder Fortschritt in Richtung Monogamie hat ihr unmittelbar zum Vorteil gereicht. In der fortschreitenden Evolution der Gesellschaft macht bei jeder Neuanpassung der Sitten der Schwächere unverhältnismäßige Gewinne.

84:5.10

In den Idealen der Ehe zu zweit hat die Frau schließlich Anerkennung, Würde, Unabhängigkeit, Gleichheit und Ausbildung gefunden; aber wird sie sich all dieser neuen und noch nie dagewesenen Errungenschaften auch würdig erzeigen? Wird die moderne Frau diese großartige Verwirklichung gesellschaftlicher Befreiung mit Trägheit, Indifferenz, Unfruchtbarkeit und Untreue beantworten? Heute, im zwanzigsten Jahrhundert, erlebt die Frau die Feuerprobe ihrer langen irdischen Existenz!

84:5.11

Die Frau ist die ebenbürtige Partnerin des Mannes bei der Fortpflanzung der Rasse, also genau so wichtig bei der Entfaltung der rassischen Evolution; deshalb hat die Evolution immer vermehrt auf die Verwirklichung der Rechte der Frauen hingearbeitet. Aber die Rechte der Frauen sind keinesfalls die Rechte der Männer. Eine Frau, die die Rechte des Mannes beansprucht, kann nicht gedeihen, ebenso wenig wie ein Mann sich entfalten kann, der die Rechte der Frau beansprucht.

84:5.12

Jedes Geschlecht hat seine eigene unterschiedliche Daseinssphäre und seine eigenen Rechte innerhalb dieser Sphäre. Wenn es die Frau danach verlangt, sich buchstäblich aller Rechte des Mannes zu erfreuen, dann wird mit Sicherheit früher oder später erbarmungsloser und gefühlloser Wettbewerb an die Stelle jener Ritterlichkeit und besonderen Hochachtung treten, die viele Frauen jetzt genießen und die sie von den Männern erst so kürzlich erlangt haben.

84:5.13

Nie wird die Zivilisation die zwischen den Geschlechtern bestehende Kluft im Verhalten zum Verschwinden bringen können. Die Sitten ändern sich von Zeitalter zu Zeitalter, nie aber der Instinkt. Ihre angeborene Mutterliebe wird einer emanzipierten Frau nie erlauben, in der Industrie zu einer ernsthaften Rivalin des Mannes zu werden. Für immer wird jedes Geschlecht unbedingter Meister in seiner eigenen Domäne bleiben, die durch biologische Differen­zierung und mentale Andersartigkeit bestimmt wird.

84:5.14

Jedes Geschlecht wird stets seine eigene besondere Sphäre haben, obwohl hin und wieder das eine auf das andere übergreifen wird. Nur im gesellschaftlichen Bereich werden Männer und Frauen in ebenbürtigen Wettbewerb treten.


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