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Schrift 155
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Flucht durch Nordgaliläa

1. Warum toben die Heiden?

155:1.1

Jesus sagte: „Ihr solltet euch alle daran erinnern, wie der Psalmist von diesen Zeiten sprach, wenn er sagte: ‚Warum toben die Heiden und verschwören sich die Völker vergebens? Die Könige der Erde empören sich, und die Herrscher der Völker beraten sich untereinander gegen den Herrn und gegen seinen Gesalbten und sagen: Lasst uns die Ketten der Barmherzigkeit zerreißen und die Bande der Liebe wegwerfen.‘

155:1.2

Heute erfüllt sich all das vor euren Augen. Aber ihr werdet die Erfüllung des Rests der Prophezeiung des Psalmisten nicht sehen, denn er hatte irrige Vorstellungen vom Menschensohn und von dessen irdischer Sendung. Mein Königreich gründet auf Liebe, es wird in Barmherzigkeit verkündet und in selbstlosem Dienst aufgebaut. Mein Vater sitzt nicht im Himmel und lacht höhnisch über die Heiden. In sein großes Missfallen mischt sich kein Zorn. Wahr hingegen ist das Versprechen, dass der Sohn die so genannten Heiden (in Wahrheit seine unwissenden und unbelehrten Brüder) zum Erbe haben wird. Und ich werde diese Nichtjuden mit offenen Armen in Barmherzigkeit und Mitgefühl aufnehmen. Solch göttliche Gnade werden die so genannten Heiden erfahren trotz der unglücklichen Erklärung in der Schrift, die zu verstehen gibt, dass der siegreiche Sohn ‚sie mit eiserner Rute zerbrechen und sie wie das Gefäß eines Töpfers in Stücke schlagen wird.‘ Der Psalmist ermahnte euch, ‚dem Herrn in Furcht zu dienen‘ – ich aber lade euch ein, an den erhabenen Vorrechten der göttlichen Sohnschaft durch den Glauben teilzuhaben. Er befiehlt euch ‚freut euch mit Zittern‘; ich sage euch ‚freut euch mit Zuversicht‘. Er sagt: ‚Küsst den Sohn, dass er nicht zürne und ihr nicht umkommt, wenn sein Zorn entbrennt.‘ Aber ihr, die ihr mit mir gelebt habt, wisst gut, dass Zorn und Wut nicht zur Errichtung des Königreichs des Himmels in den Herzen der Menschen gehören. Hingegen sah der Psalmist einen Schimmer des wahren Lichts, als er am Schluss seiner Ermahnung sagte: ‚Gesegnet seien, die ihr Vertrauen in diesen Sohn legen.‘“

155:1.3

Jesus fuhr fort, die Vierundzwanzig zu unterweisen, und sprach: „Die Heiden haben eine gewisse Entschuldigung, wenn sie gegen uns toben. Weil sie nur einen kleinen und engen Blickwinkel besitzen, sind sie fähig, ihre Energien mit Begeisterung zu konzentrieren. Ihr Ziel ist nah und mehr oder weniger sichtbar; deshalb kämpfen sie mutig und erfolgreich für seine Verwirklichung. Ihr habt zwar euren Eintritt ins Königreich des Himmels erklärt, aber die Art, in der ihr unterweist, ist zu schwankend und zu unbestimmt. Die Heiden greifen ihr Ziel direkt an; ihr aber macht euch einer ständigen Sehnsucht schuldig. Wenn ihr ins Königreich eintreten wollt, warum bemächtigt ihr euch seiner dann nicht durch einen geistigen Angriff, so wie die Heiden eine belagerte Stadt einnehmen? Ihr seid des Königreichs kaum wert, wenn euer Dienst so weitgehend in einer Haltung besteht, die der Vergangenheit nachtrauert, die Gegenwart bejammert und vergeblich auf die Zukunft hofft. Warum toben die Heiden? Weil sie die Wahrheit nicht kennen. Weshalb schmachtet ihr in vergeblicher Sehnsucht? Weil ihr der Wahrheit nicht gehorcht. Hört auf, euch unnötig zu sehnen und geht tapfer daran, das zu tun, was die Errichtung des Königreichs verlangt.

155:1.4

Werdet in allem, was ihr tut, nicht einseitig und überspezialisiert. Die Pharisäer, die uns vernichten wollen, denken wahrhaftig, sie handelten im Dienste Gottes. Die Tradition hat sie mit der Zeit so eingeengt, dass Vorurteile sie blind machen und Furcht sie verhärtet. Denkt an die Griechen, die eine Wissenschaft ohne Religion haben, während die Juden eine Religion ohne Wissenschaft haben. Wenn sich die Menschen so verirren, dass sie ein gründliches, verworrenes Auseinanderbrechen der Wahrheit akzeptieren, ist ihre einzige Hoffnung auf Errettung, sich auf die Wahrheit auszurichten – sich zu bekehren.

155:1.5

Lasst mich nachdrücklich diese ewige Wahrheit feststellen: Wenn ihr durch eure Ausrichtung auf die Wahrheit lernt, in eurer Lebensweise diese wunderbare Ganzheit der Rechtschaffenheit beispielhaft zum Ausdruck zu bringen, werden eure Mitmenschen euch aufsuchen, um ebenfalls zu gewinnen, was ihr erworben habt. Das Maß, in dem sich Wahrheitssucher zu euch hingezogen fühlen, ist auch das Maß der Wahrheit, die ihr besitzt, das Maß eurer Rechtschaffenheit. Das Ausmaß, in welchem ihr mit eurer Botschaft zu den Leuten gehen müsst, ist auch in gewissem Sinn das Maß eures Unvermögens, ein ganzes oder rechtschaffenes Leben, ein auf die Wahrheit abgestimmtes Leben zu leben.“

155:1.6

Und der Meister lehrte seine Apostel und die Evangelisten noch vieles andere, bevor sie ihm eine gute Nacht wünschten und sich auf ihren Kissen zur Ruhe legten.


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