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Die Evolution des Gebetes

5. Gesellschaftliche Auswirkungen des Gebetes

91:5.1

In der Ahnenverehrung führt das Gebet zur Kultivierung von Idealen der Altvorderen. Aber als wesentliche Äußerung der Gottheitsverehrung geht das Gebet weit über alle anderen Praktiken hinaus, da es zur Kultivierung göttlicher Ideale führt. In demselben Maße, wie die Gebetsvorstellung vom Alter Ego erhaben und göttlich wird, werden auch die Ideale des Menschen von bloß menschlichen auf himmlische und göttliche Ebenen gehoben, und das Ergebnis all solchen Betens ist die Veredlung des menschlichen Charakters und die tief greifende Einigung der menschlichen Persönlichkeit.

91:5.2

Aber das Gebet braucht nicht immer individuell zu sein. Beten in Gruppen oder Kirchengemeinschaften ist dadurch sehr wirksam, dass es in seinen Auswirkungen in hohem Maße sozialisierend wirkt. Wenn eine Gruppe gemeinsam um sittliche Läuterung und geistige Erhebung betet, wirken diese Andachtsübungen auf die Einzelnen in der Gruppe zurück; durch ihre Beteiligung werden sie alle besser. Sogar einer ganzen Stadt oder einer ganzen Nation kann durch solche Gebetsandachten geholfen werden. Geständnis, Reue und Gebet haben Einzelne, Städte, Nationen und ganze Rassen zu mächtigen Reformanstrengungen, zu mutigen Taten und heldenhaftem Verhalten geführt.

91:5.3

Wenn ihr wirklich den Wunsch habt, die Gewohnheit zu besiegen, einen Freund zu kritisieren, dann besteht der rascheste und sicherste Weg, einen derartigen Haltungswechsel herbeizuführen, darin, dass ihr die Gewohnheit annehmt, jeden Tag eures Lebens für diese Person zu beten. Aber die sozialen Rückwirkungen solcher Gebete hängen weitgehend von zwei Bedingungen ab:

91:5.4

1. Die Person, für die man betet, sollte wissen, dass man für sie betet.

91:5.5

2. Die betende Person sollte in engen gesellschaftlichen Kontakt mit der Person kommen, für die sie betet.

91:5.6

Das Gebet ist die Technik, durch die jede Religion früher oder später zur Institution wird. Und mit der Zeit verbindet sich das Gebet mit zahlreichen sekun­dären Wirkkräften, von denen einige hilfreich, andere dagegen entschieden schädlich sind, wie Priester, heilige Bücher, Gottesdienstrituale und Zeremoniell.

91:5.7

Aber die Menschen, deren Gemüt größere geistige Erleuchtung empfing, sollten geduldig und tolerant gegenüber jenen sein, deren weniger begabter Intellekt sich nach Symbolik sehnt, um ihre schwache geistige Erkenntnis anzuregen. Der Starke darf nicht mit Verachtung auf den Schwachen blicken. Diejenigen, die ohne Symbolik gottesbewusst sind, dürfen jenen, denen die Anbetung Gottes und die Verehrung von Wahrheit, Schönheit und Güte ohne Form und Ritual schwer fällt, den Gnadendienst des Symbols nicht verwehren. Im Zustand andächtiger Verehrung stellen sich die meisten Sterblichen irgendein Symbol für den Gegenstand und das Ziel ihrer Anbetung vor.


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