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Das letzte Abendmahl

5. Einsetzung des Erinnerungsmahls

179:5.1

Als sie Jesus den dritten Kelch Wein, den „Kelch der Segnung“ brachten, erhob er sich vom Lager, nahm den Kelch in die Hände, segnete ihn und sagte: „Nehmt diesen Kelch, ihr alle, und trinkt daraus. Dies soll der Kelch der Erinnerung an mich sein. Dies ist der Kelch der Segnung einer neuen Dispensation von Gnade und Wahrheit. Er soll für euch das Zeichen der Gabe und des Wirkens des heiligen Geistes der Wahrheit sein. Und ich werde mit euch aus diesem Kelch nicht eher wieder trinken, als bis ich in neuer Gestalt in des Vaters ewigem Königreich mit euch trinke.“

179:5.2

Die Apostel spürten alle, dass etwas Außerordentliches vor sich ging, als sie in tiefer Ehrfurcht und vollkommener Stille aus diesem Kelch der Segnung tranken. Das alte Passahfest gedachte des Entkommens ihrer Väter aus einem Zustand rassischer Sklaverei in die individuelle Freiheit; jetzt setzte der Meister ein neues Erinnerungsmahl ein als Symbol für eine neue Dispensation, bei der das versklavte Individuum aus der Knechtschaft von Zeremoniell und Selbstsucht heraustritt in die geistige Freude der Brüderlichkeit und Kamerad­schaft der befreiten Glaubenssöhne des lebendigen Gottes.

179:5.3

Nachdem sie alle aus diesem neuen Kelch der Erinnerung getrunken hatten, nahm der Meister das Brot, dankte, brach es in Stücke, wies sie an, es herumzureichen und sagte: „Nehmt dieses Brot der Erinnerung und esst davon. Ich habe euch gesagt, dass ich das Brot des Lebens bin. Und dieses Brot des Lebens ist das vereinigte Leben des Vaters und des Sohnes in einer einzigen Gabe. Das Wort des Vaters, wie es sich im Sohn offenbart, ist tatsächlich das Brot des Lebens.“ Nachdem sie das Brot der Erinnerung zu sich genommen hatten, das Symbol des in Gestalt eines Sterblichen inkarnierten lebendigen Wortes der Wahrheit, setzten sich alle.

179:5.4

Wie es immer seine Gewohnheit war, gebrauchte der Meister Gleichnisse und Symbole, als er dieses Erinnerungsmahl einsetzte. Er benutzte Symbole, weil er gewisse große geistige Wahrheiten auf eine Weise lehren wollte, die es seinen Nachfolgern schwer machen würde, seinen Worten genaue Auslegungen und bestimmte Bedeutungen beizulegen. Auf diese Weise versuchte er, kommende Generationen davor zu bewahren, seine Lehre zu zementieren und das, was er geistig gemeint hatte, in die toten Ketten der Tradition und des Dogmas zu legen. Bei der Einsetzung der einzigen Zeremonie oder des einzigen Sakramentes im Zusammenhang mit seiner gesamten Lebenssendung trug Jesus große Sorge, die Bedeutung seiner Botschaft mehr anzudeuten, als sich auf genaue Definitionen festzulegen. Er wollte des Einzelnen Vorstellung von göttlichem Kontakt nicht durch die Schaffung einer präzisen Form zerstören; ebenso lag ihm die Absicht fern, die geistige Vorstellungskraft des Gläubigen durch formale Eingrenzung zu beengen. Er versuchte vielmehr, die wiedergeborene Seele des Menschen auf den freudigen Schwingen einer neuen und lebendigen geistigen Unabhängigkeit in die Freiheit zu entlassen.

179:5.5

Trotz dem Bemühen des Meisters, das neue Sakrament der Erinnerung in diesem Sinne einzusetzen, sorgten jene, die ihm nachfolgten, im Laufe der Jahrhun­derte dafür, dass sein ausdrücklicher Wunsch wirksam durchkreuzt wurde, indem der einfache geistige Symbolgehalt seiner letzten in Menschengestalt verbrachten Nacht auf genaue Auslegungen reduziert und der fast mathematischen Präzision einer starren Formel unterworfen wurde. Von allen Lehren Jesu hat keine eine stärkere Normierung durch die Tradition erfahren.

179:5.6

Wenn dieses Mahl der Erinnerung von denen eingenommen wird, die an den Sohn glauben und Gott kennen, braucht sein Symbolismus mit keiner der menschlichen und kindischen Fehlinterpretationen bezüglich der Bedeutung der göttlichen Präsenz in Zusammenhang gebracht zu werden; denn bei all diesen Gelegenheiten ist der Meister wirklich anwesend. Das Erinnerungsmahl ist die symbolische Begegnung des Gläubigen mit Michael. Wenn ihr auf diese Weise geist-bewusst werdet, ist der Sohn wirklich gegenwärtig, und sein Geist verbrüdert sich mit dem innewohnenden Fragment des Vaters.

179:5.7

Nachdem sie einige Augenblicke in Meditation verharrt hatten, fuhr Jesus zu sprechen fort: „Wenn ihr diese Dinge tut, dann ruft euch das Leben, das ich unter euch auf Erden gelebt habe, in Erinnerung und freut euch darüber, dass ich weiterhin mit euch auf Erden leben und durch euch dienen werde. Bekämpft euch als Einzelne nicht wegen der Frage, wer der Größte sein werde. Seid alle wie Brüder. Und wenn das Königreich wächst und große Gruppen von Gläubigen umfassen wird, solltet ihr es euch desgleichen verbieten, unter diesen Gruppen um Größe zu wetteifern oder die einen den anderen vorzuziehen.“

179:5.8

Und dieses gewaltige Ereignis fand im oberen Raum eines Freundes statt. Es gab da keine Spur von heiliger Form, noch wurde am Gebäude oder während des Abendessens irgendeine zeremonielle Weihehandlung vorgenommen. Das Erinnerungsmahl wurde ohne geistliche Genehmigung begründet.

179:5.9

Nachdem Jesus das Abendmahl der Erinnerung in dieser Weise eingesetzt hatte, sagte er zu den Zwölfen: „So oft ihr dies tut, tut es in Erinnerung an mich. Und wenn ihr meiner gedenkt, dann schaut zuerst zurück auf mein Leben in Menschengestalt, erinnert euch, dass ich einst bei euch war, und nehmt dann durch euren Glauben wahr, dass ihr alle dereinst mit mir in des Vaters ewigem Königreich beim Abendmahl sitzen werdet. Dies ist das neue Passahfest, das ich euch hinterlasse, eben die Erinnerung an mein Leben der Selbsthingabe, an das Wort der ewigen Wahrheit und an meine Liebe für euch, das Ausgießen meines Geistes der Wahrheit über alle Menschen.“

179:5.10

Und sie beendeten diese Feier, die das alte, aber unblutige Passahfest mit der Einweihung des neuen Abendmahls der Erinnerung verband, indem sie alle zusammen den einhundertundachtzehnten Psalm sangen.


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