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Schrift 167
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Der Besuch in Philadelphia

5. Unterwegs nach Bethanien

167:5.1

Auf dem Weg nach Judäa folgte Jesus eine Schar von etwa fünfzig Freunden und Feinden. Am Mittwoch während ihrer Mittagspause sprach er zu seinen Apos­teln und dieser Gruppe von Begleitern über die „Bedingungen der Errettung“ und erzählte am Ende dieser Lektion das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner (einem Steuereinnehmer). Jesus sagte: „Ihr seht also, dass der Vater den Menschenkindern Rettung anbietet, und diese Errettung ist ein umsonst gewährtes Geschenk für alle, die den Glauben haben, die Sohnschaft in der göttlichen Familie zu empfangen. Es gibt nichts, was der Mensch tun könnte, um diese Errettung zu verdienen. Werke der Selbstgerechtigkeit können Gottes Gunst nicht erkaufen und viel öffentliches Beten kann kein Ersatz für den Mangel an lebendigem Glauben im Herzen sein. Ihr mögt die Menschen durch euer äußerliches Dienen täuschen, aber Gott schaut in eure Seelen. Was ich euch sage, wird gut durch zwei Männer veranschaulicht, die in den Tempel gingen, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand da und betete für sich: ‚Oh Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie alle übrigen Menschen, wie die Wucherer, die Ungebildeten, die Ungerechten, die Ehebrecher, oder sogar wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche; ich liefere den Zehnten ab von allem, was ich erhalte.‘ Aber der Zöllner, der sich abseits hielt, wagte nicht einmal, zum Himmel aufzublicken, sondern schlug sich an die Brust und sagte: ‚Gott, hab‘ Erbarmen mit mir Sünder.‘ Ich sage euch, dass der Zöllner eher mit Gottes Billigung nach Hause ging, als der Pharisäer, denn wer sich selbst erhöht, soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, soll erhöht werden.“

167:5.2

Am Abend versuchten in Jericho die feindlichen Pharisäer, den Meister in eine Falle zu locken, indem sie ihn wie einst ihre Mitpharisäer in Galiläa in eine Diskussion über Heirat und Scheidung verstricken wollten; aber Jesus wich ihren Versuchen, ihn mit ihren Scheidungsgesetzen in Konflikt zu bringen, geschickt aus. So wie der Zöllner und der Pharisäer für gute und schlechte Religion standen, dienten ihm ihre Scheidungspraktiken dazu, den besseren Heiratsgesetzen der jüdischen Gesetzessammlung die schändliche Lockerheit der pharisäischen Auslegungen des mosaischen Scheidungsrechts gegenüberzustellen. Der Pharisäer beurteilte sich selber nach den niedrigsten Kriterien; der Zöllner maß sich an dem höchsten Ideal. Für den Pharisäer war die Andacht ein Mittel, sich selbstgerechter Inaktivität zu überlassen und sich in falscher geistiger Sicherheit zu wiegen; für den Zöllner war die Andacht das Mittel, seine Seele wachzurütteln, damit sie die Notwendigkeit der Reue und des Sündenbekenntnisses erkenne und durch ihren Glauben die erbarmende Vergebung annehme. Der Pharisäer suchte Gerechtigkeit, der Zöllner Barmherzigkeit. Dies ist das Gesetz des Universums: Bittet, und ihr werdet empfangen; sucht, und ihr werdet finden.

167:5.3

Jesus weigerte sich zwar, sich von den Pharisäern in eine Kontroverse über die Scheidung hineinziehen zu lassen, verkündete aber eine positive Lehre von den höchsten die Ehe betreffenden Idealen. Er pries die Ehe als die idealste und höchste aller menschlichen Beziehungen. Ebenso gab er seiner strengen Missbilligung der lockeren und unfairen Scheidungspraktiken der Juden von Jerusalem Ausdruck, die es zu jener Zeit einem Mann erlaubten, sich von seiner Frau aus den nichtigsten Gründen scheiden zu lassen, sei es, weil sie eine schlechte Köchin oder nachlässige Hausfrau war, oder aus keinem gewichtigeren Grund, als dass er sich in eine hübschere Frau verliebt hatte.

167:5.4

Die Pharisäer waren sogar so weit gegangen zu lehren, dass die Scheidung dieser bequemen Art eine dem jüdischen Volk und insbesondere den Pharisäern gewährtes, besonderes Vorrecht sei. Während sich Jesus jeder Erklärung über Ehe und Scheidung enthielt, verurteilte er diese beschämenden Verhöhnungen der ehelichen Beziehung aufs schärfste und wies auf deren Ungerechtigkeit gegenüber Frauen und Kindern hin. Er billigte nie irgendeine Scheidungspraxis, die dem Mann irgendeinen Vorteil gegenüber der Frau gab; der Meister hieß nur jene Lehren gut, die den Frauen Gleichberichtigung mit den Männern zugestanden.

167:5.5

Auch wenn Jesus keine neuen Regeln für Ehe und Scheidung anbot, so drängte er die Juden doch, ihren eigenen Gesetzen und höheren Lehren entsprechend zu leben. Er berief sich ständig auf die Schriften bei seinem Versuch, ihre Praktiken im Sinne der darin enthaltenen sozialen Richtlinien zu verbessern. Während er so an den hohen und idealen Vorstellungen von der Ehe festhielt, vermied Jesus geschickt jeden Zusammenstoß mit den Fragestellern wegen der gesellschaftlichen Praktiken, wie sie in ihren geschriebenen Gesetzen und in den ihnen so teuren Scheidungsprivilegien zum Ausdruck kamen.

167:5.6

Es fiel den Aposteln sehr schwer, das Widerstreben des Meisters zu verstehen, sich eindeutig zu wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problemen zu äußern. Sie begriffen nicht ganz, dass seine irdische Sendung ausnahmslos die Offenbarung geistiger und religiöser Wahrheiten betraf.

167:5.7

Nachdem Jesus über Ehe und Scheidung gesprochen hatte, stellten ihm seine Apostel später am Abend persönlich viele zusätzliche Fragen, und seine Antworten befreiten ihre Gedanken von vielen irrigen Auffassungen. Am Schluss dieser Fragestunde sagte Jesus: „Die Ehe ist ehrenvoll und sollte von allen Menschen angestrebt werden. Die Tatsache, dass der Menschensohn seine Erdenmission allein ausführt, mindert die Wünschbarkeit der Ehe in keiner Weise herab. Es ist des Vaters Wille, dass ich meine Arbeit in dieser Weise tue, aber derselbe Vater hat die Erschaffung von Mann und Frau verfügt, und es ist göttlicher Wille, dass Männer und Frauen ihren höchsten Dienst und die daraus hervorgehende Freude in der Gründung eines Hausstandes finden, um Kinder zu empfangen und zu erziehen, durch deren Erzeugung die Eltern zu Partnern der Schöpfer von Himmel und Erde werden. Und aus diesem Grunde soll ein Mann Vater und Mutter verlassen und treu zu seiner Gattin halten, und beide sollen sie werden wie eins.“

167:5.8

Und damit befreite er die Gedanken seiner Apostel von vielen Sorgen hinsichtlich der Ehe und klärte viele die Scheidung betreffende Missverständnisse auf; zugleich trug er viel dazu bei, ihre Ideale von sozialer Verbindung zu erhöhen und ihre Achtung vor den Frauen, den Kindern und dem Heim zu vergrößern.


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