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Der Zwischenbesuch in Jerusalem

3. Am Teich von Bethesda

147:3.1

Als sich der Meister und die Apostel am Nachmittag des zweiten Sabbats in Jerusalem eben anschickten, am Tempelgottesdienst teilzunehmen, sagte Johannes zu Jesus: „Komm mit mir, ich möchte dir etwas zeigen.“ Johannes führte Jesus durch eines der Tore Jerusalems hinaus zu einem Bethesda genannten Teich. Rund um diesen Teich herum stand ein Bau mit fünf überdachten Hallen, unter denen sich eine große Zahl Leidender aufhielt, die Heilung suchten. Hier entsprang eine heiße Quelle, deren rötlich gefärbtes Wasser infolge von Gasansammlungen in den unter dem Teich gelegenen Felshöhlen in unregelmäßigen Abständen aufbrodelte. Viele glaubten, dieses periodische Aufwallen warmen Wassers sei übernatürlichen Einflüssen zuzuschreiben, und der Volksglaube sagte, dass der erste, der nach einem solchen Ausstoß ins Wasser stieg, von welchen Gebrechen auch immer geheilt werde.

147:3.2

Infolge der Einschränkungen, die Jesus ihnen auferlegt hatte, waren die Apostel ziemlich unruhig, und Johannes, der Jüngste der Zwölf, war wegen dieser Einengung besonders rastlos. Er hatte Jesus zu dem Teich geführt, weil er dachte, der Anblick der versammelten Leidenden würde stark an das Mitleid des Meisters appellieren und ihn zu einer Wunderheilung bewegen, worüber ganz Jerusalem in Erstaunen geriete und sogleich für den Glauben an das Evangelium vom Königreich gewonnen würde. Johannes sprach zu Jesus: „Meister, schau dir all diese Leidenden an; können wir nichts für sie tun?“ Und Jesus erwiderte: „Johannes, warum willst du mich in Versuchung führen, vom Weg, den ich gewählt habe, abzuweichen? Warum wünschst du immer noch, die Verkündigung des Evangeliums der ewigen Wahrheit durch Vollbringen von Wundern und Krankenheilungen zu ersetzen? Mein Sohn, ich darf das, was du wünschst, nicht tun, aber rufe diese Kranken und Bekümmerten zusammen, damit ich Worte der Ermutigung und des ewigen Trostes zu ihnen spreche.“

147:3.3

Zu den um ihn Versammelten sagte Jesus: „Viele von euch sind hier, krank und leidgeplagt, weil ihr jahrelang falsch gelebt habt. Einige leiden durch die Wechselfälle der Zeit, andere infolge der Fehler ihrer Vorfahren, und einige von euch mühen sich ab mit den Behinderungen der mangelhaften Umstände eurer irdischen Existenz. Aber mein Vater arbeitet daran – wie auch ich es tun möchte – eure irdische Lage zu verbessern, aber ganz besonders, eure Stellung in der Ewigkeit zu sichern. Niemand von uns kann viel tun, um etwas an den Schwierigkeiten des Lebens zu ändern, es sei denn, wir entdeckten, dass der Vater im Himmel es so will. Letzten Endes sind wir alle gehalten, den Willen des Ewigen zu tun. Wenn ihr alle von euren körperlichen Leiden geheilt werden könntet, würdet ihr allerdings staunen, aber etwas noch viel Größeres wäre es, ihr würdet von aller geistigen Krankheit gereinigt und fändet euch von allen sittlichen Gebrechen geheilt. Ihr seid alle Kinder Gottes; ihr seid die Söhne des himmlischen Vaters. Ihr scheint unter dem Zwang der Zeit heimgesucht zu werden, aber der Gott der Ewigkeit liebt euch. Und wenn schließlich die Zeit des Gerichts kommt, dann fürchtet euch nicht; denn ihr werdet alle nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch reichlich Barmherzigkeit finden. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer das Evangelium des Königreichs hört und an diese Lehre der Gottessohnschaft glaubt, hat das ewige Leben; solche Gläubigen gehen bereits von Gericht und Tod zu Licht und Leben über. Und die Stunde naht, da sogar die Toten in ihren Gräbern die Stimme der Auferstehung hören werden.“

147:3.4

Und viele unter den Zuhörern glaubten an das Evangelium vom Königreich. Einige der Leidenden waren derart inspiriert und geistig neu belebt, dass sie überall verkündeten, sie seien auch von ihren körperlichen Krankheiten geheilt worden.

147:3.5

Ein Mann, der jahrelang niedergeschlagen gewesen war und schwer unter seinen Gemütsstörungen gelitten hatte, freute sich über Jesu Worte, hob sein Bett auf und ging nach Hause, obwohl es Sabbat war. Dieser geplagte Mann hatte all die Jahre hindurch darauf gewartet, dass jemand ihm helfe; er war dermaßen Opfer des Gefühls seiner eigenen Hilflosigkeit, dass er nicht ein einziges Mal auf den Gedanken verfallen war, sich selber zu helfen, was sich als einziges Mittel zur Genesung erwies – sein Bett aufzuheben und zu gehen.

147:3.6

Dann sagte Jesus zu Johannes: „Gehen wir, bevor die Obersten Priester und Schriftgelehrten uns überraschen und daran Anstoß nehmen, dass wir zu diesen Leidenden Worte des Lebens gesprochen haben.“ Und sie kehrten zu ihren Gefährten in den Tempel zurück, worauf sie alle für die Nacht nach Bethanien aufbrachen. Aber Johannes sagte den anderen Aposteln nie etwas von seinem Besuch mit Jesus am Teich von Bethesda an jenem Sabbatnachmittag.


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