Am 26. Februar zogen Jesus, seine Apostel und eine große Gruppe von Anhängern am Jordan entlang hinunter bis zur Furt in der Nähe von Bethanien in Peräa, an den Ort, an dem Johannes das kommende Königreich zum ersten Mal verkündet hatte. Hier blieb Jesus vier Wochen lang mit seinen Aposteln; sie lehrten und predigten, bevor sie nach Jerusalem hinauf weitergingen.
In der zweiten Woche ihres Aufenthaltes bei Bethanien jenseits des Jordans nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes in die Berge mit, die auf der anderen Seite des Flusses südlich von Jericho lagen, um sich drei Tage lang auszuruhen. Der Meister lehrte diese drei manche neue und höhere Wahrheiten über das Königreich des Himmels. Für unseren Bericht werden wir seine Lehren wie folgt umordnen und einteilen:
Jesus bemühte sich, Folgendes klarzumachen: Er wünschte, dass seine Jünger nach ihren ersten Erfahrungen mit den guten Geistesrealitäten des Königreichs so in der Welt lebten, dass sich Menschen, die sie leben sahen, des Königreichs bewusst und dazu geführt würden, sich bei Gläubigen nach dem Königreich zu erkundigen. Alle solchen aufrichtigen Wahrheitssucher sind stets glücklich, wenn sie die frohe Botschaft von der Gabe des Glaubens hören, welche die Zulassung zum Königreich mit seinen ewigen und göttlichen Geistesrealitäten zusichert.
Der Meister bemühte sich, allen Lehrern des Evangeliums vom Königreich einzuprägen, dass ihre einzige Aufgabe darin bestehe, dem einzelnen Menschen Gott als seinen Vater zu offenbaren – diesen einzelnen Menschen dahin zu führen, sich als Sohn bewusst zu werden; und danach diesen Menschen Gott vorzustellen als dessen gläubigen Sohn. Diese beiden wesentlichen Offenbarungen sind in Jesus erfüllt. Er wurde in der Tat „der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Jesu Religion stützte sich völlig auf das Leben seiner Selbsthingabe auf Erden. Als Jesus von dieser Welt schied, ließ er weder Bücher zurück noch Gesetze oder andere, das religiöse Leben des Einzelnen berührende Formen menschlicher Organisation.
Jesus machte klar, dass er gekommen war, um mit den Menschen persönliche und ewige Beziehungen herzustellen, die für alle Zeiten Vorrang vor allen anderen menschlichen Beziehungen haben würden. Und er betonte, dass diese innige geistige Verbundenheit auf alle Menschen jeden Alters und jeder gesellschaftlichen Stellung in allen Völkern ausgeweitet werden solle. Die einzige Belohnung, die er seinen Kindern in Aussicht stellte, war: In dieser Welt – geistige Freude und göttliche Gemeinschaft; in der nächsten Welt – ewiges Leben im Fortschritt in den göttlichen Geistrealitäten des Paradies-Vaters.
Ganz besondere Bedeutung maß Jesus dem zu, was er die beiden wichtigsten Wahrheiten der Lehre vom Königreich nannte; es sind: Die Erlangung des Heils durch den Glauben und durch den Glauben allein, in Verbindung mit der revolutionären Lehre von der Erlangung der menschlichen Freiheit durch die aufrichtige Erkenntnis der Wahrheit: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Jesus war die Fleisch gewordene Wahrheit, und er versprach, seinen Geist der Wahrheit nach seiner Rückkehr zum Vater im Himmel in die Herzen aller seiner Kinder zu senden.
Der Meister lehrte die Apostel das Wesentliche der Wahrheit für ein ganzes Zeitalter auf Erden. Oft lauschten sie seinem Unterricht, während das, was er sagte, in Wirklichkeit für die Inspiration und Erbauung anderer Welten bestimmt war. Er gab das Beispiel für einen neuen und originalen Lebensplan. Vom menschlichen Standpunkt aus war er tatsächlich ein Jude, aber er lebte sein Leben für die ganze Erde als ein Sterblicher dieser Welt.
Um sicher zu gehen, dass sein Vater bei der Entfaltung des Plans des Königreichs erkannt werden würde, hatte Jesus, wie er erklärte, „die Großen dieser Erde“ mit Absicht nicht beachtet. Er begann sein Werk bei den Armen, bei derjenigen Klasse, die von den meisten evolutionären Religionen der vorangegangenen Zeitalter so sehr vernachlässigt worden war. Er verachtete niemanden; sein Plan war weltumfassend und sogar universell. Er verkündigte all dies mit solcher Kühnheit und Eindringlichkeit, dass sogar Petrus, Jakobus und Johannes versucht waren zu denken, er sei wohl außer sich geraten.
Auf sanfte Weise bemühte er sich, diesen Aposteln die Wahrheit zu vermitteln, dass er diese Mission der Selbsthingabe nicht unternommen hatte, um einigen wenigen Erdengeschöpfen ein Beispiel zu geben, sondern um für alle Völker auf allen Welten seines ganzen Universums einen Maßstab menschlichen Lebens zu setzen und vorzuleben. Und dieser Maßstab näherte sich der höchsten Vollkommenheit, sogar der vollkommenen Güte des Universalen Vaters. Aber die Apostel konnten den Sinn seiner Worte nicht erfassen.
Er verkündete, er sei gekommen, um als Lehrer, als ein vom Himmel gesandter Lehrer zu wirken, um dem materiellen Verstand geistige Wahrheit vor Augen zu führen. Und genau das tat er; er war ein Lehrer, kein Prediger. Aus menschlicher Sicht war Petrus ein weit wirkungsvollerer Prediger als Jesus. Jesu Predigten waren so wirkungsvoll wegen seiner einzigartigen Persönlichkeit, weniger wegen unwiderstehlicher rednerischer oder gefühlsmäßiger Anziehungskraft. Jesus sprach direkt zu den Seelen der Menschen. Er war ein Lehrer des menschlichen Geistes, aber durch den Verstand. Er lebte mit den Menschen.
Bei dieser Gelegenheit deutete Jesus gegenüber Petrus, Jakobus und Johannes an, dass durch die Anweisung seines „Mitarbeiters im Himmel“ seinem irdischen Werk in mancher Beziehung Beschränkungen auferlegt waren. Er spielte dabei auf die der Selbsthingabe vorangegangenen Instruktionen seines Paradies-Bruders Immanuel an. Er sagte ihnen, er sei gekommen, um einzig und allein seines Vaters Willen zu tun. Da er dieses Ziel mit ganzem Herzen anstrebte, wurde ihm nicht bange angesichts des Bösen in der Welt.
Allmählich wurde den Aposteln die ungekünstelte Freundlichkeit Jesu bewusst. Obwohl man leicht an den Meister herantreten konnte, lebte er stets unabhängig von allen menschlichen Wesen und über ihnen. Nie beherrschte ihn auch nur für einen einzigen Augenblick ein rein menschlicher Einfluss, nie war er abhängig von oberflächlichem menschlichem Urteil. Er schenkte der öffentlichen Meinung keine Beachtung, und Lob ließ ihn unbeeinflusst. Er unterbrach sich selten, um Missverständnisse auszuräumen oder sich über falsche Darstellungen aufzuhalten. Er holte nie eines Menschen Rat ein; er bat nie um Gebete.
Jakobus wunderte sich darüber, wie Jesus von allem Anfang an das Ende zu sehen schien. Der Meister schien selten von etwas überrascht zu sein. Er war nie aufgeregt, ärgerlich oder fassungslos. Er entschuldigte sich bei keinem Menschen. Er war zuzeiten betrübt, aber nie entmutigt.
Johannes nahm klarer wahr, dass er trotz all seiner göttlichen Gaben im letzten Grunde menschlich war. Jesus lebte als Mensch unter Menschen; er verstand sie, liebte sie und wusste mit ihnen umzugehen. Er war in seinem persönlichen Leben so menschlich und doch so frei von Fehlern. Und er war immer selbstlos.
Obwohl Petrus, Jakobus und Johannes von dem, was Jesus bei dieser Gelegenheit sagte, nicht sehr viel verstehen konnten, klangen seine gütigen Worte in ihren Herzen nach und traten nach der Kreuzigung und Auferstehung wieder in ihr Bewusstsein, um ihr späteres Wirken sehr zu bereichern und zu beglücken. Kein Wunder, dass diese Apostel des Meisters Worte nicht ganz erfassten, denn er entwarf vor ihnen den Plan eines neuen Zeitalters.