Als Johannes auf seiner Reise den Jordan hinauf im Dezember 25 n. Chr. in die Nachbarschaft von Pella gelangte, hatte sein Ruf sich in ganz Palästina ausgebreitet, und sein Wirken war in allen Städten um den See von Galiläa herum zum Hauptgesprächsthema geworden. Jesus hatte sich über die Botschaft des Johannes zustimmend geäußert, was viele Leute von Kapernaum bewogen hatte, den Kult der Buße und Taufe des Johannes anzunehmen. Jakobus und Johannes, die Fischersöhne des Zebedäus, waren im Dezember, kurz nachdem Johannes nahe bei Pella zu predigen begonnen hatte, hinuntergegangen und hatten sich taufen lassen. Sie besuchten Johannes einmal in der Woche und brachten Jesus Berichte aus erster Hand über das Wirken des Evangelisten.
Jesu Brüder Jakobus und Jude hatten davon gesprochen, sich zu Johannes zur Taufe zu begeben; und nun, da Jude zum Sabbatgottesdienst nach Kapernaum herübergekommen war, beschlossen er und Jakobus, nachdem sie die Predigt Jesu in der Synagoge gehört hatten, ihn über ihre Pläne um Rat zu fragen. Das war am Samstagabend, dem 12. Januar 26 n. Chr. Jesus bat sie, die Unterredung auf den folgenden Tag zu verschieben; dann werde er ihnen seine Antwort geben. Er schlief sehr wenig in jener Nacht, da er in enger Verbindung mit seinem Vater im Himmel war. Er hatte vereinbart, mit seinen Brüdern zu Mittag zu essen und ihnen seinen Rat bezüglich der Taufe durch Johannes zu geben. An diesem Sonntagvormittag arbeitete Jesus wie immer in der Bootswerkstatt. Jakobus und Jude waren mit dem Mittagessen angelangt und warteten im Holzschuppen auf ihn, da es noch nicht Zeit für die Mittagspause war, und sie wussten, dass Jesus in solchen Dingen sehr genau war.
Kurz vor Beginn der Mittagspause legte Jesus seine Werkzeuge nieder, zog seine Arbeitsschürze aus und sagte zu den drei im Raum anwesenden Arbeitern bloß: „Meine Stunde ist gekommen.“ Er ging zu seinen Brüdern Jakobus und Jude hinaus und wiederholte: „Meine Stunde ist gekommen – lasst uns zu Johannes gehen.“ Und sie machten sich sogleich auf nach Pella und verzehrten ihr Mittagessen unterwegs. Das war am Sonntag, dem 13. Januar. Sie machten im Jordantal Halt zum Übernachten und trafen um die Mittagszeit des nächsten Tages am Ort ein, wo Johannes taufte.
Johannes hatte gerade mit dem Taufen der Anwärter für diesen Tag begonnen. Dutzende von Bußfertigen warteten in einer Schlange, bis sie an der Reihe waren. Da nahmen Jesus und seine zwei Brüder ihre Plätze in dieser Reihe ernster Männer und Frauen ein, die an Johannes‘ Ankündigung des kommenden Königreichs glaubten. Johannes hatte sich bei den Söhnen des Zebedäus nach Jesus erkundigt. Man hatte ihm die Bemerkungen Jesu über sein Predigen zugetragen, und er war Tag für Tag darauf gefasst, ihn ankommen zu sehen, aber er war nicht darauf vorbereitet, ihn in der Reihe der Taufkandidaten zu begrüßen.
Völlig in Anspruch genommen durch die Einzelheiten der raschen Taufe einer so großen Zahl von Bekehrten, hatte Johannes nicht aufgeschaut und Jesus nicht erblickt, bis der Menschensohn unmittelbar vor ihm stand. Als Johannes Jesus erkannte, gab es eine kurze Unterbrechung der Handlungen, während er seinen leiblichen Vetter begrüßte und fragte: „Aber warum kommst du ins Wasser herunter, um mich zu begrüßen?“ Und Jesus antwortete: „Um mich deiner Taufe zu unterziehen.“ Johannes erwiderte: „Aber mir tut Not, von dir getauft zu werden. Warum kommst du zu mir?“ Und Jesus flüsterte Johannes zu: „Ertrag‘s geduldig, denn dieses Beispiel zu geben ist wichtig für meine Brüder, die hier bei mir stehen, und damit die Leute wissen, dass meine Stunde gekommen ist.“
Im Ton von Jesu Stimme lag etwas Endgültiges, lag Autorität. Johannes zitterte vor Erregung, als er sich anschickte, Jesus von Nazareth am Montagmittag, dem 14. Januar 26 n. Chr., im Jordan zu taufen. Und Johannes taufte Jesus und seine beiden Brüder Jakobus und Jude. Und als Johannes die drei getauft hatte, entließ er die anderen für diesen Tag und kündigte an, er werde die Taufen am Mittag des nächsten Tages wieder aufnehmen. Während die Leute sich zerstreuten, hörten die vier Männer, die immer noch im Wasser standen, einen seltsamen Laut. Und gleich darauf wurde unmittelbar über Jesu Kopf einen Augenblick lang eine Erscheinung sichtbar, und sie hörten eine Stimme, die sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Eine große Veränderung ging in Jesu Gesichtsausdruck vor sich. Schweigend entstieg er dem Wasser, verabschiedete sich von ihnen und entfernte sich in Richtung der Berge im Osten. Und niemand erblickte Jesus vor Ablauf von vierzig Tagen.
Johannes folgte Jesus ein Stück Wegs, um ihm die Geschichte von Gabriels Besuch bei seiner Mutter vor ihrer beider Geburt zu erzählen, wie er sie so oft aus dem Munde seiner Mutter gehört hatte. Er ließ Jesus seinen Weg allein weitergehen, nachdem er gesagt hatte: „Jetzt weiß ich mit Sicherheit, dass du der Erlöser bist.“ Aber Jesus gab ihm darauf keine Antwort.