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Das Universum der Universen

7. Der Teil und das Ganze

12:7.1

Durch alle Zeit und allen Raum hindurch und bezüglich jeder Realität, welcher Natur auch immer, wirkt ein unerbittliches und unpersönliches Gesetz, das der Funktion einer kosmischen Vorsehung gleichkommt. Barmherzigkeit charakterisiert Gottes liebevolle Haltung gegenüber dem Einzelnen; Unparteilichkeit motiviert Gottes Haltung gegenüber dem Ganzen. Der Wille Gottes hat im Teil – im Herzen irgendeiner Persönlichkeit – nicht notwendigerweise die Oberhand, aber sein Wille regiert tatsächlich das Ganze, das Universum der Universen.

12:7.2

Es ist wahr, dass Gott in seinem ganzen Umgang mit all seinen Geschöpfen nicht Gesetze anwendet, die ihrem Wesen nach willkürlich sind. Euch mit eurer beschränkten Sicht und eurem endlichen Gesichtspunkt müssen Gottes Handlungen oft diktatorisch und willkürlich vorkommen. Die Gesetze Gottes sind nur die Gewohnheiten Gottes, seine Art, die Dinge stets auf gleiche Weise zu tun; und er tut immer alle Dinge gut. Ihr beobachtet, dass Gott dieselbe Sache immer wieder in derselben Art tut, einfach weil es die beste Art ist, diese besondere Sache unter gegebenen Umständen zu tun; und die beste Art ist auch die richtige Art, und deshalb ordnet die unendliche Weisheit stets an, dass sie in genau dieser vollkommenen Art getan werde. Auch solltet ihr euch daran erinnern, dass die Natur nicht der ausschließliche Akt Gottes ist; es sind noch andere Einflüsse in den Phänomenen vorhanden, die der Mensch Natur nennt.

12:7.3

Es widerstrebt der göttlichen Natur, irgendwelchen Verfall zu dulden oder je zu erlauben, irgendeine rein persönliche Handlung auf minderwertige Art auszuführen. Es sollte indessen Folgendes klargemacht werden: Wenn in der Göttlichkeit irgendeiner Situation, unter extremen Umständen, und immer dann, wenn in Befolgung höchster Weisheit eine andere Vorgehensweise angezeigt erschiene – wenn die Ansprüche der Vollkommenheit aus irgendeinem Grunde eine andere und bessere Reaktionsweise gebieten sollten – dann würde der allweise Gott auf der Stelle in dieser besseren und passenderen Art handeln. Das wäre dann der Ausdruck eines höheren Gesetzes, nicht das Umstoßen eines niedrigeren Gesetzes.

12:7.4

Gott ist nicht ein der Gewohnheit unterworfener Sklave der ständigen Wieder­holung seiner eigenen Willensakte. Es gibt keine Konflikte zwischen den Gesetzen des Unendlichen; alle sind vollkommener Ausfluss der unfehlbaren Natur; alle sind fraglos Handlungen, die fehlerlose Entscheidungen ausdrücken. Das Gesetz ist die unveränderliche Reaktion eines unendlichen, vollkommenen und göttlichen Verstandes. Trotz dieser offenkundigen Gleichheit entspringen alle Handlungen Gottes seinem Willen. In Gott „gibt es weder Veränderlichkeit, noch den Schatten eines Wechsels“. Aber all das, was man zu Recht von dem Universalen Vater sagen kann, kann nicht mit derselben Bestimmtheit von all seinen untergeordneten Intelligenzen oder von seinen evolutionären Geschöpfen gesagt werden.

12:7.5

Weil Gott unveränderlich ist, könnt ihr euch unter allen gewöhnlichen Umständen darauf verlassen, dass er dieselbe Sache in derselben gleich bleibenden, gewöhnlichen Art tut. Gott ist die Garantie der Stabilität für alle erschaffenen Dinge und Wesen. Er ist Gott; deshalb ändert er sich nicht.

12:7.6

Und dieses ganze unerschütterliche Verhalten und gleichförmige Handeln ist persönlich, bewusst und im höchsten Grade willensmäßig; denn der große Gott ist kein hilfloser Sklave seiner eigenen Vollkommenheit und Unendlichkeit. Gott ist keine von selbst laufende, automatische Kraft; er ist keine sklavisch an Gesetze gebundene Macht. Gott ist weder eine mathematische Gleichung noch eine chemische Formel. Er ist eine mit freiem Willen begabte, uranfängliche Persönlichkeit. Er ist der Universale Vater, ein mit Persönlichkeit überreich ausgestattetes Wesen und die universale Quelle aller Geschöpfespersönlichkeit.

12:7.7

Der Wille Gottes hat in den Herzen der Gott suchenden materiellen Ster­blichen nicht einheitlich die Oberhand, aber wenn man den zeitlichen Rahmen über den Augenblick hinaus ausdehnt, bis er die ganze Spanne des ersten Lebens umfasst, dann wird Gottes Wille tatsächlich immer besser an den Geistesfrüchten erkennbar, welche die vom Geist geführten Kinder Gottes in ihrem Leben tragen. Und wenn man das Menschenleben noch mehr ausdehnt, um auch die morontielle Erfahrung einzubeziehen, beobachtet man, dass der göttliche Wille immer heller aus den vergeistigenden Handlungen jener Geschöpfe der Zeit leuchtet, die angefangen haben, sich des göttlichen Glücks einer gelebten Beziehung zwischen der Persönlichkeit des Menschen und der Persönlichkeit des Universalen Vaters zu erfreuen.

12:7.8

Die Vaterschaft Gottes und die Bruderschaft der Menschen bergen in sich den Widerspruch zwischen dem Teil und dem Ganzen auf Persönlichkeitsebene. Gott liebt jeden Einzelnen als individuelles Kind der himmlischen Familie. Aber Gott liebt ebenso sehr alle Personen; er kennt kein Ansehen der Person, und die Universalität seiner Liebe ruft eine Ganzheitsbeziehung, die universale Bruderschaft, ins Leben.

12:7.9

Die Liebe des Vaters individualisiert in absoluter Weise jede Persönlichkeit als einmaliges Kind des Universalen Vaters, als ein Kind, von dem es in aller Unendlichkeit kein Doppel gibt, als ein Willensgeschöpf, das in aller Ewigkeit durch nichts ersetzt werden kann. Des Vaters Liebe verherrlicht jedes Kind Gottes, indem sie jedes Mitglied der himmlischen Familie erleuchtet und die einzigartige Natur jedes persönlichen Wesens sich scharf abheben lässt gegen die außerhalb des brüderlichen Kreises des gemeinsamen Vaters liegenden unpersönlichen Ebenen. Die Liebe Gottes lässt auf eindrucksvolle Weise den transzendenten Wert jedes Willensgeschöpfes erkennen, offenbart unmissverständlich den hohen Wert, den der Universale Vater jedem einzelnen seiner Kinder beimisst, von der höchsten Schöpferpersönlichkeit mit Paradiesesrang bis hinunter zur niedrigsten mit Willen begabten Persönlichkeit unter wilden Volksstämmen im Morgengrauen der menschlichen Gattung auf irgendeiner evolutionären Welt von Zeit und Raum.

12:7.10

Diese Liebe Gottes zum individuellen Wesen ruft die göttliche Familie aller Einzelpersonen ins Dasein, die universale Bruderschaft der mit freiem Willen begabten Kinder des Paradies-Vaters. Und da diese Bruderschaft universal ist, ist sie eine Ganzheitsbeziehung. Wenn sie universal ist, ist sie nicht Ausdruck jeder einzelnen Beziehung, sondern der Beziehung aller. Bruderschaft ist eine die Gesamtheit umfassende Realität und offenbart daher Eigenschaften des Ganzen im Unterschied zu Eigenschaften des Teils.

12:7.11

Bruderschaft ist eine Tatsache der Beziehung zwischen allen im Universum existierenden Persönlichkeiten. Niemand kann den Wohltaten oder Benachteili­gungen entrinnen, die aus der Beziehung zu anderen Personen hervorgehen. Der Teil profitiert oder leidet nach Maßgabe des Ganzen. Das gute Streben jedes einzelnen Menschen kommt allen Menschen zugute; der Irrtum oder die Schlechtigkeit jedes Menschen vermehrt die Leiden aller Menschen. Wie der Teil sich bewegt, so bewegt sich das Ganze. Wie der Fortschritt des Ganzen, so der Fortschritt des Teils. Die relativen Geschwindigkeiten des Teils und des Ganzen bestimmen, ob der Teil durch die Trägheit des Ganzen gebremst oder vom Schwung der kosmischen Bruderschaft mitgerissen wird.

12:7.12

Es ist ein tiefes Geheimnis, dass Gott als ein im höchsten Maße persönliches und selbstbewusstes Wesen mit festem Hauptsitz zugleich in einem so gewaltigen Universum persönlich anwesend ist und mit einer nahezu unendlichen Zahl von Wesen in persönlichem Kontakt steht. Dass solch ein Phänomen ein weit über die menschliche Fassungskraft hinausgehendes Mysterium ist, sollte euren Glauben nicht im Mindesten beeinträchtigen. Erlaubt weder den Dimensionen der Unendlichkeit noch der Unermesslichkeit der Ewigkeit noch der Größe und Herrlichkeit des unvergleichlichen Charakters Gottes, euch einzuschüchtern, ins Wanken zu bringen oder zu entmutigen; denn keinem von euch ist der Vater sehr fern; er wohnt in euch, und in ihm bewegen wir uns wörtlich, leben wir wirklich und haben wahrhaftig unser Dasein.

12:7.13

Obwohl der Paradies-Vater durch seine göttlichen Schöpfer und die Kinder seiner Schöpfung wirkt, erfreut er sich auch des innigsten inneren Kontaktes mit euch, der so sublim, so höchst persönlich ist, dass er sogar mein Verständnis übersteigt – diese geheimnisvolle Verbindung des Vaterfragmentes mit der menschlichen Seele und mit dem tatsächlich von ihm bewohnten sterblichen Verstand. Nach allem, was euch über diese Geschenke Gottes bekannt ist, wisst ihr jetzt, dass der Vater nicht nur mit seinen göttlichen Mitarbeitern, sondern auch mit seinen evolutionären sterblichen Kindern der Zeit in inniger Berührung steht. Der Vater bewohnt allerdings das Paradies, aber seine göttliche Gegenwart wohnt auch im Verstand der Menschen.

12:7.14

Auch wenn der Geist eines Sohnes über alles Fleisch ausgegossen wird, auch wenn ein Sohn einst in Menschengestalt unter euch weilte, auch wenn die Seraphim euch persönlich behüten und führen, wie könnte eines dieser göttlichen Wesen des Zweiten und Dritten Zentrums je hoffen, euch so nahe zu kommen oder euch so völlig zu verstehen wie der Vater, der einen Teil von sich selbst gegeben hat, um in euch zu sein, um euer wirkliches und göttliches, ja euer ewiges Selbst zu sein?


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