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Die Lehren Melchisedeks im Abendland

5. Der Mithraskult

98:5.1

Die phrygischen und ägyptischen Mysterien mussten schließlich dem größten aller Mysterienkulte, der Verehrung Mithras, weichen. Der mithraische Kult sprach die verschiedensten Menschentypen an und verdrängte allmählich seine beiden Vorgänger. Der Mithraismus verbreitete sich über das ganze Römische Reich durch die Propaganda der in der Levante – wo diese Religion im Schwang war – rekrutierten römischen Legionen; denn sie trugen diesen Glauben mit sich in alle Gegenden, wo sie hinkamen. Und dieses neue religiöse Ritual bedeutete gegenüber den früheren Mysterienkulten eine große Verbesserung.

98:5.2

Der Mithraskult entstand in Iran und hielt sich in seiner Heimat lange Zeit trotz der militanten Opposition der Anhänger Zarathustras. Bis der Mithraismus Rom erreichte, war er durch die Aufnahme vieler Lehren Zarathustras bedeutend verbessert worden. Und es geschah hauptsächlich über den mithraischen Kult, dass Zarathustras Religion das später erscheinende Christentum beeinflusste.

98:5.3

Der mithraische Kult schilderte einen kämpferischen Gott, der aus einem großen Felsen geboren wurde, zu Heldentaten auszog und dessen Pfeile beim Aufprall auf einem Felsen aus diesem Wasser hervorschießen ließen. Es gab eine Sintflut, welcher nur ein einziger in einem besonders gebauten Boot entging, und ein letztes Abendmahl, das Mithras mit dem Sonnengott feierte, bevor er zum Himmel aufstieg. Dieser Sonnengott oder Sol Invictus war eine Entartung des Ahura-Mazda-Gottheitkonzeptes des Zoroastrismus. Man stellte sich Mithras als den überlebenden Vorkämpfer des Sonnengottes in dessen Kampf gegen den Gott der Finsternis vor. Und in Anerkennung dafür, dass er den mythischen heiligen Stier tötete, wurde Mithras unsterblich gemacht und in die Stellung eines Fürsprechers der menschlichen Rasse bei den Göttern in der Höhe erhoben.

98:5.4

Die Anhänger dieses Kultes trafen sich zur Anbetung in Höhlen und an anderen geheimen Orten, wobei sie Hymnen sangen, magische Formeln murmelten, das Fleisch der Opfertiere aßen und deren Blut tranken. Sie hielten dreimal am Tag Andacht, mit einem besonderen wöchentlichen Zeremoniell am Tage des Sonnengottes und mit der anspruchsvollsten aller Feiern am jährlichen Fest Mithras, dem fünfundzwanzigsten Dezember. Man glaubte, dass die Teilnahme am Sakrament das ewige Leben, das unverzügliche Weitergehen nach dem Tode an den Busen Mithras zusichere, um dort bis zum Tage des Gerichts in Seligkeit zu verharren. Am Tage des Gerichts würden Mithras‘ Himmelsschlüssel die Pforten des Paradieses zum Empfang der Gläubigen aufschließen. Danach würden bei Mithras‘ Rückkehr zur Erde alle Ungetauften unter den Lebenden und Toten vernichtet. Es wurde gelehrt, dass ein Mensch bei seinem Tode vor Mithras trete, um von ihm gerichtet zu werden, und dass dieser am Ende der Welt alle Toten zum ewigen Gericht aus ihren Gräbern rufe. Die Gottlosen kämen im Feuer um, und die Rechtschaffenen würden für immer mit Mithras herrschen.

98:5.5

Zuerst war es nur eine Religion für Männer, und es gab sieben verschiedene Grade, in die die Gläubigen nacheinander eingeweiht werden konnten. Später wurden die Frauen und Töchter von Gläubigen in die Tempel der Großen Mutter aufgenommen, die an die mithraischen Tempel stießen. Der Kult der Frauen war eine Mischung aus mithraischem Ritual und den Zeremonien des phrygischen Kultes Kybeles, der Mutter von Attis.


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