Um 2000 v. Chr. hatten die Religionen Mesopotamiens die Lehren der Sethiten so ziemlich verloren und standen weitgehend unter dem Einfluss der primitiven Glaubensvorstellungen von zwei Invasorengruppen, der aus der westlichen Wüste eingesickerten semitischen Beduinen und der berittenen Barbaren, die aus dem Norden herabgekommen waren.
Aber die Sitte der frühen adamitischen Völker, den siebenten Wochentag zu ehren, war in Mesopotamien nie ganz verschwunden. Nur galt der siebente Tag in der Ära Melchisedeks als der unheilvollste. Er war mit Tabus überhäuft; es verstieß gegen das Gesetz, an diesem schlimmen siebenten Tag eine Reise anzutreten, Speisen zu kochen oder ein Feuer zu machen. Die Juden brachten viele dieser mesopotamischen Tabus, die auf der babylonischen Innehaltung des siebenten Tages, des Sabattum, beruhten, nach Palästina zurück.
Obwohl die Lehrer aus Salem viel taten, um die Religionen Mesopotamiens zu verfeinern und zu heben, gelang es ihnen nicht, die verschiedenen Völker zu dauernden Bekennern des einen Gottes zu machen. Ihre Lehre gewann während über hundertfünfzig Jahren die Oberhand und wich dann schrittweise dem früheren Glauben an eine Vielzahl von Gottheiten.
Die Lehrer aus Salem reduzierten die Zahl der Götter Mesopotamiens sehr stark. Zu einer gewissen Zeit hatten sie die Hauptgottheiten auf sieben reduziert: Bel, Schamasch, Nabu, Anu, Ea, Marduk und Sin. Auf dem Höhepunkt der neuen Lehre erhoben sie drei dieser Götter zu Herrschern über alle anderen; das war die babylonische Trias: Bel, Ea und Anu, die Götter der Erde, des Meeres und des Himmels. An verschiedenen Orten entstanden noch andere Dreiheiten, die alle ein Nachhall der Trinitätslehren der Anditen und Sumerer waren und sich auf den Glauben der Salemiten an das Emblem Melchisedeks mit den drei Kreisen stützten.
Es gelang den Lehrern aus Salem nie ganz, die Popularität Ischtars, Mutter von Göttern und Geist sexueller Fruchtbarkeit, zu besiegen. Sie unternahmen viel, um den Kult dieser Göttin zu verfeinern, aber die Babylonier und ihre Nachbarn waren ihren verhüllten Formen der Geschlechtsverehrung nie ganz entwachsen. Es war in ganz Babylonien allgemeiner Brauch geworden, dass sich alle Frauen in jungen Jahren wenigstens einmal von Fremden umarmen ließen; das galt als eine von Ischtar geforderte Hingabe, und man glaubte, dass Fruchtbarkeit weitgehend von diesem sexuellen Opfer abhänge.
Die anfänglichen Fortschritte der Lehre Melchisedeks waren höchst erfreulich, bis sich Nabodad, der Leiter der Schule von Kisch, entschloss, einen konzertierten Angriff auf die herrschenden Praktiken der Tempelprostitution zu machen. Aber die Anstrengungen der Missionare aus Salem zur Durchsetzung dieser sozialen Reform schlugen fehl, und alle ihre viel wichtigeren geistigen und philosophischen Lehren wurden unter dem Trümmerhaufen dieses Misserfolgs begraben.
Auf diese Niederlage des Evangeliums von Salem folgte unmittelbar eine bedeutende Zunahme des Ischtarkultes, ein Ritual, das bereits in die umliegenden Länder eingedrungen war: In Palästina wurde Ischtar als Aschtoreth verehrt, in Ägypten als Isis, in Griechenland als Aphrodite und bei den nördlichen Stämmen als Astarte. Und in Verbindung mit dieser von neuem aufblühenden Verehrung Ischtars kehrten die babylonischen Priester zu der Sternguckerei zurück; die Astrologie erfuhr in Mesopotamien ihr letztes großes Wiederaufleben, Wahrsagerei kam in Schwang, und es folgte ein jahrhunderte langer Niedergang der Priesterschaft.
Melchisedek hatte seine Jünger ermahnt, die Lehre von dem einen Gott, dem Vater und Erschaffer aller Dinge, zu verkünden und einzig das Evangelium der göttlichen Gunst durch den alleinigen Glauben zu predigen. Aber die Lehrer neuer Wahrheit sind oft dem Irrtum verfallen, zu viel zu wollen, zu versuchen, die langsame Evolution durch plötzliche Revolution zu ersetzen. Die Missionare Melchisedeks in Mesopotamien stellten einen für das Volk zu hohen sittlichen Maßstab auf; sie nahmen sich zu viel vor, und ihre edle Sache erlitt eine Niederlage. Sie hatten den Auftrag erhalten, ein ganz bestimmtes Evangelium zu predigen, die Wahrheit von der Realität des Universalen Vaters zu verkünden, aber sie verstrickten sich in der vermeintlich würdigen Aufgabe, die Sitten zu reformieren, und so wurde ihre große Sendung auf ein Nebengeleise geschoben und versank praktisch in Enttäuschung und Vergessen.
In einer einzigen Generation nahm das Hauptquartier Salems in Kisch ein Ende, und die Verkündigung des Glaubens an einen einzigen Gott hörte praktisch in ganz Mesopotamien auf. Aber Reste der Schulen Salems bestanden weiter. Kleine da und dort verstreute Gruppen erhielten ihren Glauben an einen einzigen Schöpfer aufrecht und kämpften gegen den Götzendienst und die Unsittlichkeit der mesopotamischen Priester.
Die Missionare Salems der Periode, die auf die Zurückweisung ihrer Lehre folgte, waren es, die viele der Psalmen des alten Testamentes schrieben und sie in Steine gravierten, auf denen sie die späteren hebräischen Priester während ihrer Gefangenschaft fanden und anschließend ihrer Sammlung von Hymnen einverleibten, welche jüdischen Autoren zugeschrieben wurden. Diese wunderschönen Psalmen aus Babylon wurden nicht in den Tempeln Bel-Marduks geschrieben; sie waren das Werk von Nachkommen der früheren Missionare Salems, und sie stehen in frappantem Gegensatz zu den magischen Sammelwerken der babylonischen Priester. Das Buch Hiob widerspiegelt recht gut die Lehren der Schule Salems in Kisch und ganz Mesopotamien.
Vieles von der religiösen Kultur Mesopotamiens fand über Ägypten Eingang in die hebräische Literatur und Liturgie dank dem Wirken von Amenemope und Echnaton. In bemerkenswerter Weise bewahrten die Ägypter die Lehren über soziale Verpflichtungen, die von den früheren anditischen Mesopotamiern stammten und die den späteren Babyloniern, die das Euphrattal besetzten, so weitgehend abhanden gekommen waren.