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Die Lehren Melchisedeks im Orient

4. Die Hindureligion

94:4.1

Mit dem Vergehen der Jahrhunderte kehrte die Masse des indischen Volkes in einem gewissen Ausmaß zu den alten Ritualen der Veden zurück, wie sie durch die Lehren der Missionare Melchisedeks verändert und durch die spätere brahmanische Priesterschaft kristallisiert worden waren. Diese älteste und kosmopolitischste aller Weltreligionen hat als Reaktion auf Buddhismus und Jainismus und auf die späteren Einflüsse von Mohammedanismus und Christentum weitere Verwandlungen durchgemacht. Aber bis Jesu Lehren nach Indien gelangten, waren sie derart verwestlicht worden, dass sie als eine „Religion des weißen Mannes“ betrachtet wurden und dem Hindugeist als etwas Seltsames und Fremdes erschienen.

94:4.2

Heute beschreibt die Hindutheologie vier absteigende Ebenen der Gottheit und Göttlichkeit:

94:4.3

1. Das Brahman, das Absolute, das Unendliche Eine, das ES IST.

94:4.4

2. Die Trimurti, die höchste Trinität des Hinduismus. Brahma, das erste Mitglied dieser Verbindung, wird gedacht als selbsterschaffen aus dem Brahman – aus der Unendlichkeit. Gäbe es da nicht die enge Identifizierung mit dem pantheistischen Unendlichen Einen, könnte Brahma die Grundlage für ein Konzept des Universalen Vaters bilden. Brahma wird auch mit dem Schicksal identifiziert.

94:4.5

Die Verehrung des zweiten und des dritten Mitglieds, Shivas und Vishnus, entstand im ersten Jahrtausend nach Christus. Shiva ist Herr über Leben und Tod, Gott der Fruchtbarkeit und Meister der Zerstörung. Vishnu ist außerordentlich populär wegen des Glaubens, dass er sich periodisch in Menschengestalt inkarnierte. Dadurch wird Vishnu in der Vorstellung der Inder wirklich und lebendig. Sowohl Shiva als auch Vishnu werden von manchen als Höchste über allem gesehen.

94:4.6

3. Vedische und nachvedische Gottheiten. Viele der alten Götter der Arier wie Agni, Indra und Soma haben als sekundäre Götter neben der Trimurti weiterbestanden. Zahlreiche zusätzliche Götter sind seit den frühen Tagen des vedischen Indien erschienen, und sie sind alle dem Hindu-Pantheon einverleibt worden.

94:4.7

4. Die Halbgötter : Übermenschen, Halbgötter, Helden, Dämonen, Phantome, böse Geister, Elfen, Monster, Kobolde und Heilige der Kulte jüngerer Zeit.

94:4.8

Obwohl es dem Hinduismus seit langem nicht gelingt, das indische Volk zu beleben, ist er zugleich meist eine tolerante Religion gewesen. Seine große Stärke liegt in der Tatsache, dass er sich als die anpassungsfähigste und amorphste Religion erwiesen hat, die je auf Urantia erschienenen ist. Er ist eines beinah unbeschränkten Wandels fähig und besitzt eine ungewöhnliche Breite flexibler Anpassungsmöglichkeiten von den hohen und halbmonotheistischen Spekulationen des intellektuellen Brahmanen bis zum ausgesprochenen Fetischismus und den primitiven Kultpraktiken der erniedrigten und unterdrückten Klassen unwissender Gläubiger.

94:4.9

Der Hinduismus hat überlebt, weil er seinem Wesen nach ein integrierender Bestandteil des grundlegenden gesellschaftlichen Gewebes Indiens ist. Er kennt keine große Hierarchie, die gestört oder vernichtet werden könnte; er ist in das Lebensmuster des Volkes eingewoben. Er besitzt eine Anpassungsfähigkeit an wechselnde Bedingungen, die alle anderen Kulte übertrifft, und er zeigt vielen anderen Religionen gegenüber eine tolerante und aufnahmebereite Haltung; von Gautama Buddha und sogar von Christus wird behauptet, sie seien Inkar­nationen Vischnus gewesen.

94:4.10

Was Indien heute nottut, ist eine Darstellung des Evangeliums Jesu – der Vaterschaft Gottes und der Sohnschaft mit der sich daraus ergebenden Bruder­schaft aller Menschen, die persönlich durch liebende Zuwendung und sozialen Dienst verwirklicht werden. In Indien existiert das philosophische Gerüst, und die Strukturen des Kultes sind vorhanden; was allein fehlt, ist der vitalisierende Funke der dynamischen Liebe, wie sie uns im ursprünglichen Evangelium des Menschensohns entgegentritt, befreit von den westlichen Dogmen und Doktrinen, die dazu neigten, aus Michaels Lebenshingabe eine Religion des weißen Mannes zu machen.


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