Wie viele andere Anbetungsrituale hatte das Opfer als Teil religiöser Glaubensübungen nicht einen einfachen und einzigen Ursprung. Die Tendenz, sich vor der Macht zu verbeugen und sich in Gegenwart des Geheimnisvollen in ehrfürchtiger Anbetung zu Boden zu werfen, lässt sich schon im Wedeln des Hundes vor seinem Herrn erahnen. Es ist nur ein Schritt vom Impuls der Anbetung zum Akt des Opferns. Der primitive Mensch beurteilte den Wert seines Opfers nach dem Schmerz, den er dabei ausstand. Als die Opferidee sich zum ersten Mal mit dem religiösen Zeremoniell verband, wurde kein Opfer in Betracht gezogen, das nicht Schmerz bereitete. Die ersten Opfer bestanden in Haarausraufen, Schnittwunden, Verstümmelungen, Einschlagen von Zähnen und Fingerabschneiden. Mit fortschreitender Zivilisation wurden diese rohen Opfervorstellungen auf die Stufe der Rituale der Selbstverleugnung, der Askese, des Fastens, der Entbehrungen und der späteren christlichen Doktrin von der Heiligung durch Kummer, Leiden und Kasteiung des Fleisches erhoben.
Früh in der Evolution der Religion gab es zwei Opfervorstellungen: die Idee vom Geschenkopfer, das eine dankende Haltung zum Ausdruck brachte, und vom Schuldopfer, das die Vorstellung von einem Freikauf beinhaltete. Später entwickelte sich der Gedanke der Substituierung.
Noch später kam der Mensch auf die Idee, sein wie auch immer geartetes Opfer könnte als Überbringer einer Botschaft an die Götter funktionieren; es könnte wie ein süßer Geruch in den Nasenlöchern der Gottheit sein. Das führte zu Weihrauch und anderen ästhetischen Charakteristiken des Opferrituals, das sich nun auf ein Opferfest hinentwickelte und mit der Zeit stets komplizierter und mit immer reicherem Schmuck ausgestattet wurde.
Als die Religion sich weiterentwickelte, ersetzten die Opferriten, die eine Versöhnung und Gnädigstimmung bezweckten, die älteren Methoden des Abwendens von Unheil, der Besänftigung und des Exorzismus.
Die früheste Idee des Opfers war die einer Steuer, die von den Ahnengeistern zur Erlangung ihrer Neutralität erhoben wurde; erst später entwickelte sich die Idee von Sühne. Während sich der Mensch immer mehr von dem Wissen um den evolutionären Ursprung der Rasse entfernte und während die Überlieferungen aus den Tagen des Planetarischen Fürsten und die Erinnerung an Adams Aufenthalt durch die Zeiten sickerten, erfuhr die Vorstellung von Sünde und Erbsünde weite Verbreitung, so dass das Opfern für zufällige und persönliche Sünde sich in die Lehre vom Opfern zur Sühne für die Sünde der Rasse verwandelte. Das Sühneopfer diente als Kollektivversicherung, die sogar den Groll und die Eifersucht eines unbekannten Gottes abdeckte.
Umringt von so vielen empfindlichen Geistern und habgierigen Göttern, sah sich der primitive Mensch einem solchen Heer von Gläubigergottheiten gegenüber, dass es ein Leben lang all der Priester, Rituale und Opferhandlungen bedurfte, um ihn von geistiger Schuld zu befreien. Die Lehre von der Erbsünde oder Rassenschuld versetzte jeden Einzelnen den geistigen Mächten gegenüber in schwere Schuld.
Geschenke und Bestechungsgelder gibt man Menschen; aber wenn sie den Göttern dargereicht werden, beschreibt man sie als geweiht, geheiligt oder nennt sie Opfer. Entsagung war die negative Form des Gnädigstimmens; das Opfer wurde seine positive Form. Der Vorgang der Gnädigstimmung enthielt Lobpreisung, Verherrlichung, Schmeichelei und sogar Unterhaltung. Und es sind die Überbleibsel dieser positiven Praktiken des alten Kults der Gnädigstimmung, welche die modernen Formen göttlicher Anbetung bilden. Diese sind ganz einfach die Ritualisierung dieser alten Opfertechniken positiver Gnädigstimmung.
Tieropfer bedeuteten für die primitiven Menschen viel mehr, als was sie je für moderne Rassen darstellen könnten. Diese Barbaren sahen in den Tieren wirklich ihre nahen Verwandten. Mit der Zeit wurde der Mensch beim Opfern schlauer und hörte auf, seine Arbeitstiere darzubringen. Am Anfang hatte er immer das Beste von allem einschließlich seiner domestizierten Tiere geopfert.
Es war keine leere Prahlerei, als ein bestimmter ägyptischer Herrscher erklärte, er habe geopfert: 113 433 Sklaven, 493 368 Stück Vieh, 88 Schiffe, 2 756 goldene Standbilder, 331 702 Honig- und Ölkrüge, 228 380 Weinkrüge, 680 714 Gänse, 6 744 428 Brotlaibe und 5 740 352 mit Münzen gefüllte Säcke. Um das zu vollbringen, muss er seine hart arbeitenden Untertanen notwendigerweise arg strapaziert haben.
Bare Notwendigkeit bewog diese Halbwilden endlich, den materiellen Teil ihrer Opfer zu verspeisen, nachdem sich die Götter an deren Seelen gelabt hatten. Und man fand eine Rechtfertigung für diese Sitte unter dem Vorwand des einstigen heiligen Mahls, eines religiösen Zusammenseins nach heutigem Brauch.