Wer Magie praktizierte, gebrauchte Stäbe, „Medizin“-Rituale und Beschwörungen und arbeitete gewöhnlich unbekleidet. Unter den primitiven Magiern waren die Frauen zahlreicher als die Männer. In der Magie bedeutet „Medizin“ Mysterium und nicht Behandlung. Der Wilde behandelte sich nie selber; er gebrauchte nie irgendwelche Heilmittel, außer auf Anraten von Spezialisten der Magie. Die Voodoo-Doktoren des zwanzigsten Jahrhunderts sind typisch für die Magier früherer Zeiten.
Es gab zwei Arten von Magie, eine öffentliche und eine private. Die von Medizinmännern, Schamanen und Priestern geübte geschah angeblich zum Wohl des ganzen Stammes. Hexen, Hexer und Zauberer gewährten private Magie, persönliche und eigennützige Magie, die als Zwangsmittel angewendet wurde, um Unglück über seine Feinde zu bringen. Die Vorstellung von einer doppelten, aus guten und bösen Geistern bestehenden Geisterwelt ließ den späteren Glauben an weiße und schwarze Magie entstehen. Und als die Religion sich entwickelte, bezeichnete das Wort Magie das Wirken von Geistern, das sich außerhalb des eigenen Kultes abspielte, und es wies auch auf älteren Geisterglauben hin.
Wortkombinationen, mit Gesängen und Beschwörungen einhergehende Rituale waren hochmagisch. Einige frühere Beschwörungen entwickelten sich schließlich zu Gebeten. Bald wurde auch imitative Magie geübt; Gebete wurden dargestellt; magische Tänze waren nichts anderes als dramatische Gebete. Allmählich trat das Gebet an die Stelle von Magie, um Opferhandlungen zu begleiten.
Die Gestik ist älter als die Sprache, und sie war deshalb umso heiliger und magischer, und der Mimik schrieb man große magische Kraft zu. Die roten Menschen führten oft einen Büffeltanz auf, in welchem einer der ihren den Büffelpart spielte, und sein Fang stellte den Erfolg der bevorstehenden Jagd sicher. Die sexuellen Festlichkeiten des 1. Mai waren einfach imitative Magie, eine suggestive Anrufung der sexuellen Leidenschaften der Pflanzenwelt. Die Puppe wurde zuerst von unfruchtbaren Frauen als magischer Talisman gebraucht.
Die Magie war jener Zweig am Baum der evolutionären Religion, der am Ende die Frucht des wissenschaftlichen Zeitalters trug. Der Glaube an Astrologie führte zur Entwicklung der Astronomie, der Glaube an den Stein der Weisen führte zur Beherrschung der Metalle, während der Glaube an magische Zahlen die Wissenschaft der Mathematik begründete.
Aber eine derart mit Zauberkräften angefüllte Welt trug viel zur Zerstörung aller persönlichen Ambition und Initiative bei. Die Früchte besonderer Anstrengungen oder von Fleiß wurden auf Magie zurückgeführt. Wenn jemand mehr Korn auf seinem Feld stehen hatte als sein Nachbar, konnte es geschehen, dass er vor den Häuptling gerufen und angeklagt wurde, das Mehr an Korn vom Feld seines trägen Nachbarn weggelockt zu haben. In der Tat war es in den Tagen der Barbarei gefährlich, sehr viel zu wissen; es bestand immer die Möglichkeit, als Adept der Schwarzen Kunst hingerichtet zu werden.
Schrittweise entfernt die Wissenschaft das Glücksspiel-Element aus dem Leben. Aber wenn die modernen Erziehungsmethoden scheitern sollten, gäbe es eine fast augenblickliche Rückkehr zum primitiven Glauben an Magie. Solcher Aberglaube verweilt immer noch in den Gemütern vieler sogenannter zivilisierter Leute. Die Sprache enthält viele Fossilien, die davon Zeugnis ablegen, dass die Rasse lange Zeit von magischem Aberglauben durchdrungen war; sie enthält Wörter wie: in seinen Bann schlagen, unter einem ungünstigen Stern stehen, Besessenheit, Inspiration, wegzaubern, Genialität, bezaubernd, wie vom Donner gerührt und erstaunt. Und intelligente Menschenwesen glauben immer noch an Glück, bösen Blick und Astrologie.
Die alte Magie war der Kokon moderner Wissenschaft, zu ihrer Zeit unentbehrlich, aber jetzt nicht mehr von Nutzen. Und so bewegten die aus unwissendem Aberglauben geborenen Phantasmen die primitiven Gemüter der Menschen, bis die Konzepte der Wissenschaft geboren werden konnten. Heute befindet sich Urantia in einer zwielichtigen Zone seiner intellektuellen Entwicklung. Eine Hälfte der Welt strebt begierig nach dem Licht der Wahrheit und den Tatsachen wissenschaftlicher Entdeckung, während die andere Hälfte in den Stricken alten Aberglaubens und kaum verhüllter Magie schmachtet.
[Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern Nebadons.]
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