Als die Menschen nur an Phantome glaubten, war das religiöse Ritual persönlicher, weniger organisiert, aber die Anerkennung höherer Geister machte die Anwendung „höherer geistiger Methoden“ im Umgang mit ihnen nötig. Dieses Bemühen um Verbesserung und Verfeinerung der Technik zur Besänftigung der Geister führte direkt zur Erfindung von Verteidigungsmitteln gegen sie. Der Mensch fühlte sich tatsächlich hilflos gegenüber den unkontrollierbaren Kräften, die im irdischen Leben herrschten, und sein Gefühl der Unterlegenheit trieb ihn, nach irgendeiner kompensierenden Neuausrichtung zu suchen, nach einer Technik des Chancenausgleichs in diesem ungleichen Kampf des Menschen gegen den Kosmos.
In den frühen Tagen des Kults beschränkten sich die menschlichen Bemühungen um Beeinflussung der Phantomtätigkeit auf Besänftigung, auf Versuche, durch Bestechung die Abwendung von Unheil zu erkaufen. Als die Entwicklung des Phantomkults zum Konzept von guten und bösen Geistern weiterging, verwandelten sich diese Zeremonien in Bemühungen einer positiveren Art, in Anstrengungen, sich Glück zu verschaffen. Die Religion des Menschen war nun nicht mehr gänzlich negativer Art, und er hielt in seinem Bemühen, das Glück herbeizuzwingen, nicht inne; er begann bald, Pläne zu schmieden, durch die er die Geister zur Zusammenarbeit nötigen könnte. Der religiöse Mensch steht nun den unablässigen Forderungen der Geisterphantasmen eigener Erfindung nicht mehr wehrlos gegenüber; der Wilde beginnt, Waffen zu erfinden, mittels derer er auf das Wirken der Geister Druck ausüben und sie zwingen kann, ihm beizustehen.
Die ersten Verteidigungsanstrengungen richteten sich gegen die Phantome. Im Laufe der Zeitalter begannen die Lebenden, Methoden auszusinnen, um den Toten zu widerstehen. Viele Techniken, von denen die folgenden erwähnt werden mögen, wurden entwickelt, um die Phantome zu erschrecken und zu verscheuchen:
1. Abschneiden des Kopfes und Umschnüren des Leichnams im Grab.
2. Steinigung des Totenhauses.
3. Kastration der Leiche oder Brechen ihrer Beine.
4. Beerdigung unter Steinen, einer der Ursprünge des modernen Grabsteins.
5. Kremation, eine spätere Erfindung, um Schwierigkeiten mit Geistern vorzubeugen.
6. Ins-Meer-Werfen des Leichnams.
7. Aussetzen des Leichnams zum Fraß durch wilde Tiere.
Man glaubte, Lärm störe und erschrecke die Phantome; mit Geschrei, Glocken und Trommeln scheuchte man sie von den Lebenden weg; und diese alten Methoden sind immer noch bei „Totenwachen“ üblich. Man benutzte übel riechendes Gebräu, um unwillkommene Geister zu vertreiben. Scheußliche Darstellungen der Geister wurden angefertigt, so dass sie schleunigst flohen, wenn sie ihrer selbst ansichtig wurden. Man glaubte, dass die Hunde das Nahen von Geistern spürten und durch Heulen vor ihnen warnten und auch, dass die Hähne schrieen, wenn sie in der Nähe waren. Dieser Aberglaube hat in der Verwendung des Hahns als Wetterfahne überdauert.
Wasser galt als der beste Schutz gegen Phantome. Heiliges Wasser, Wasser, in dem die Priester ihre Füße gewaschen hatten, war allen anderen Wasserarten überlegen. Sowohl Feuer als auch Wasser galten als Schranken, die von Phantomen nicht durchbrochen werden konnten. Die Römer gingen dreimal mit Wasser um einen Leichnam herum; im zwanzigsten Jahrhundert besprengt man die Toten mit heiligem Wasser, und Händewaschen auf dem Friedhof gehört immer noch zum jüdischen Ritual. Die Taufe war ein Charakteristikum des späteren Wasserrituals; primitives Baden war eine religiöse Zeremonie. Erst in neuerer Zeit ist Baden zu einer hygienischen Praxis geworden.
Aber der Mensch machte nicht Halt bei der Bezwingung der Phantome; durch religiöse Rituale und andere Praktiken versuchte er bald, auch auf ihr Handeln Zwang auszuüben. Exorzismus bestand darin, einen Geist zu benutzen, um einen anderen zu lenken oder zu vertreiben, und diese Taktiken wurden auch angewandt, um Phantome und Geister zu erschrecken. Das doppelte Geisterkonzept mit guten und bösen Kräften bot den menschlichen Versuchen, eine Kraft gegen die andere auszuspielen, ein reiches Betätigungsfeld, denn wenn ein kräftiger Mann einen schwächeren besiegen konnte, dann konnte gewiss auch ein starker Geist ein niedrigeres Phantom beherrschen. Die primitive Verwünschung war das gebräuchliche Druckmittel zur Einschüchterung unbedeutender Geister. Später entwickelte sich aus diesem Brauch auch die Verfluchung von Feinden.
Lange herrschte der Glaube, dass die Geister und Halbgötter durch eine Rückkehr zur Pflege älterer Sitten zu gewünschtem Handeln gezwungen werden könnten. Der moderne Mensch macht sich derselben Handlungsweise schuldig. Ihr sprecht miteinander in gewöhnlicher, alltäglicher Sprache, aber sobald ihr zu beten anfangt, nehmt ihr Zuflucht zum älteren Stil einer anderen Generation, zum so genannten feierlichen Stil.
Diese Doktrin erklärt auch manche religiös-rituelle Rückfälle sexueller Natur wie die Tempelprostitution. Diese Rückgriffe auf primitive Sitten wurden als sichere Garantien gegen allerlei Unheil angesehen. Und in den einfachen Gemütern dieser Völker waren solche Vorgänge vollkommen frei von dem, was der moderne Mensch als Promiskuität bezeichnen würde.
Als Nächstes erschien die Praxis ritueller feierlicher Versprechen, denen bald religiöse Gelübde und heilige Schwüre folgten. Die meisten dieser Schwüre gingen mit Selbstpeinigung und Selbstverstümmelung und später mit Fasten und Beten einher. In der Folge wurde Selbstverleugnung als sicheres Druckmittel betrachtet; das galt insbesondere für die Unterdrückung der Sexualität. Und so entwickelte der primitive Mensch in seinen religiösen Praktiken schon früh eine entschiedene Strenge, einen Glauben an die Wirksamkeit von Selbstmarterung und Selbstverleugnung, die als Rituale die Macht besäßen, die widerstrebenden Geister zu zwingen, auf all diese Leiden und Entbehrungen gnädig zu antworten.
Der moderne Mensch versucht nicht mehr offen, die Geister zu nötigen, obwohl er immer noch eine gewisse Neigung zeigt, mit der Gottheit zu feilschen. Und er schwört immer noch, klopft auf Holz, kreuzt die Finger und lässt auf das Ausspucken irgendwelche platten Worte folgen; einst war es eine magische Formel.