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Die Ursprünge der Anbetung

6. Anbetung des Menschen

85:6.1

Nachdem der Mensch auf dem Erdboden und droben im Himmel alles angebetet hatte, zögerte er nicht, nun auch sich selber mit solcher Anbetung zu ehren. Das einfache Gemüt des Wilden macht keine klaren Unterschiede zwischen Tieren, Menschen und Göttern.

85:6.2

Der frühe Mensch betrachtete alle ungewöhnlichen Personen als übermenschlich, und er fürchtete sich vor solchen Wesen so sehr, dass er sie in heiliger Scheu verehrte; in gewissem Maße betete er sie buchstäblich an. Sogar Zwillinge zu bekommen, betrachtete man entweder als großes Glück oder aber als großes Unglück. Geisteskranke, Epileptiker und Schwachsinnige wurden von ihren normalen Gefährten oft angebetet, weil sie glaubten, dass in solchen abnormen Wesen Götter wohnten. Prie­ster, Könige und Propheten wurden verehrt; die heiligen Menschen von einst galten als von den Gottheiten inspiriert.

85:6.3

Die Stammeshäuptlinge wurden nach ihrem Tod deifiziert. Später wurden hervorragende Seelen nach ihrem Ableben geheiligt. Ohne Beihilfe hat die Evolution für Götter nie einen höheren Ursprung angenommen als den von verherrlichten, erhobenen und weiterentwickelten Geistern dahingegangener Menschen. In der frühen Evolution schafft die Religion ihre eigenen Götter; im Verlauf der Offenbarung formulieren die Götter die Religion. Die evolutionäre Religion erschafft sich ihre Götter nach dem Bilde und der Ähnlichkeit des sterblichen Menschen; die offenbarte Religion versucht, den sterblichen Menschen nach und nach in das Bild und die Ähnlichkeit Gottes zu verwandeln.

85:6.4

Man sollte Geistergötter angeblich menschlichen Ursprungs und Natur­götter auseinander halten, denn die Anbetung der Natur brachte ein ganzes Pantheon hervor – Naturgeister, die in die Stellung von Göttern emporgehoben wurden. Die Naturkulte fuhren fort, sich neben den später erscheinenden Geister­kulten zu entwickeln, und beide beeinflussten einander. Viele religiöse Systeme besaßen eine doppelte Vorstellung von Gottheit – Naturgötter neben Geister­göttern. In einigen Theologien sind beide Vorstellungen eng verschlungen, wie das Beispiel Thors, eines Geisterhelden, belegt, der zugleich auch Herr des Blitzes war.

85:6.5

Aber die Anbetung des Menschen durch den Menschen erreichte ihren Höhepunkt, als zeitliche Herrscher solche Verehrung von ihren Untertanen forderten und sich zur Unterstützung ihres Anspruchs auf ihre Abstammung von der Gottheit beriefen.


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