Die primitiven Ehen wurden immer von den Eltern des Jungen und des Mädchens geplant. Die Periode des Übergangs von diesem Brauch zu den Zeiten der freien Wahl sah die Ehestifter oder professionellen Heiratsvermittler am Werk. Solche Heiratsvermittler waren zuerst die Barbiere und später die Priester. Die Ehe war zuerst Gruppensache, dann eine Familienangelegenheit, und erst kürzlich wurde sie zu einem individuellen Abenteuer.
Zur primitiven Ehe wurde aufgrund von Zwang, nicht von Anziehung, geschritten. In frühen Zeiten kannten die Frauen keine sexuelle Zurückhaltung, bloß das ihnen von den Sitten eingeprägte Gefühl sexueller Minderwertigkeit. So wie Überfälle dem Handel vorausgingen, ging die Ehe durch Frauenraub der Ehe durch Vertrag voraus. Es gab Frauen, die der Entführung Vorschub leisteten, um der Beherrschung durch die älteren Männer ihres Stammes zu entrinnen; sie zogen es vor, Männern ihres Alters von einem anderen Stamm in die Hände zu fallen. Diese Pseudoentführungen waren das Übergangsstadium zwischen gewaltsamem Raub und der späteren Umwerbung durch Charme.
Eine frühe Form der Hochzeitszeremonie bestand in einer gemimten Flucht, einer Art einstudierter Entführung, die einst allgemein Brauch war. Später wurde ein possenhafter Brautraub zum festen Bestandteil jeder ordnungsgemäßen Hochzeitsfeier. Die Anwandlungen eines modernen Mädchens, seinem „Raub“ zu widerstehen, sich gegen die Heirat zu sträuben, sind alles Überreste einstiger Bräuche. Das Über-die-Schwelle-Tragen der Braut ist eine Erinnerung unter vielen an alte Gepflogenheiten aus den Tagen des Frauenraubs.
Der Frau war es lange Zeit verwehrt, in der Ehe völlig frei über sich zu verfügen, aber die intelligenteren Frauen sind immer in der Lage gewesen, diese Beschränkung durch gescheiten Gebrauch ihres Verstandes zu umgehen. Der Mann hat beim Freien gewöhnlich die Führung übernommen, aber nicht immer. Manchmal ergreift die Frau in aller Form, oder auch versteckt, die Initiative zur Ehe. Und mit fortschreitender Zivilisation hatten die Frauen in wachsendem Maße an allen Phasen des Werbens und der Ehe teil.
Zunehmende Liebe, Romantik und persönliche Wahl beim vorehelichen Werben sind ein anditischer Beitrag an die Weltrassen. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern entwickeln sich in günstigem Sinne; viele im Fortschritt begriffene Völker ersetzen allmählich jene älteren Motive von Nützlichkeit und Besitz durch einigermaßen idealisierte Vorstellungen von sexueller Anziehung. Sexuelle Leidenschaft und Gefühle der Zuneigung beginnen die kalte Berechnung bei der Wahl der Lebenspartner zu verdrängen.
Ursprünglich war die Verlobung gleichbedeutend mit Heirat; und bei den frühen Völkern waren die sexuellen Beziehungen während der Verlobungszeit konventionelle Ehebeziehungen. In neuerer Zeit hat die Religion die Zeit zwischen Verlobung und Heirat mit einem sexuellen Tabu belegt.