Die zweite anditische Einwanderung in Indien war die in der Mitte des dritten Jahrtausends vor Christus fast fünfhundert Jahre währende arische Invasion. Diese Wanderung bedeutete den endgültigen Auszug der Anditen aus ihrer Heimat in Turkestan.
Die frühen arischen Zentren lagen über die nördliche Hälfte Indiens zerstreut, insbesondere im Nordwesten. Die Eindringlinge vollendeten die Eroberung des Landes nie und bezahlten später dieses Versäumnis mit ihrem Ruin. Denn ihre kleinere Zahl machte sie anfällig für die Absorption durch die Drawidas des Südens, die in der Folge die ganze Halbinsel mit Ausnahme der Himalayaprovinzen überrannten.
Außer in den nördlichen Provinzen hinterließen die Arier nur geringe rassische Spuren. Im Dekan war ihr Einfluss mehr kultureller und religiöser als rassischer Natur. Das stärkere Vorhandensein so genannten arischen Blutes in Nordindien ist nicht nur ihrer zahlreicheren Anwesenheit in diesen Gegenden zuzuschreiben, sondern auch dem Umstand, dass sie durch spätere Eroberer, Handelsleute und Missionare verstärkt wurden. Bis zum ersten Jahrhundert vor Christus gab es ein ununterbrochenes Einsickern arischen Blutes in den Pandschab. Die letzte Blutzufuhr erfolgte im Zusammenhang mit den Kriegszügen der Hellenisten.
Die schließliche Vermischung der Arier und Drawidas ließ in der Ganges-ebene eine hohe Kultur entstehen, und dieses Zentrum wurde später von Nordosten her durch Zuzügler aus China verstärkt.
In Indien blühten abwechslungsweise viele Typen gesellschaftlicher Organisation, von den halbdemokratischen Systemen der Arier bis hin zu despotischen und monarchischen Regierungsformen. Aber das charakteristischste Merkmal der Gesellschaft war das Fortbestehen der großen sozialen Kasten, die von den Ariern im Bemühen um die Bewahrung rassischer Identität errichtet worden waren. Dieses durchdachte Kastensystem hat sich bis in die heutige Zeit erhalten.
Von den vier großen Kasten wurden außer der ersten alle im vergeblichen Bemühen errichtet, eine Rassenvermischung der arischen Eroberer mit ihren niedrigeren Untertanen zu verhindern. Die erste Kaste der Lehrer-Priester hingegen stammt von den Sethiten ab. Die Brahmanen des zwanzigsten Jahrhunderts nach Christus sind die direkten kulturellen Nachfahren der Priester des zweiten Gartens, obwohl sich ihre Lehren beträchtlich von denen ihrer glänzenden Vorgänger unterscheiden.
Als die Arier in Indien eindrangen, brachten sie ihre Vorstellungen von Gottheit mit, wie sie sich in den fortlebenden Überlieferungen der Religion des zweiten Gartens erhalten hatten. Aber die brahmanischen Priester waren nie in der Lage, sich dem heidnischen Druck zu widersetzen, der sich nach der rassischen Auflösung der Arier beim plötzlichen Kontakt mit den tieferstehenden Religionen des Dekans einstellte. So geriet die große Bevölkerungsmehrheit in die Abhängigkeit des versklavenden Aberglaubens niedrigerer Religionen. Und das ist der Grund, weshalb Indien nicht jene hohe Zivilisation hervorbrachte, die frühere Zeiten hatten vorausahnen lassen.
Das geistige Erwachen des sechsten Jahrhunderts vor Christus hielt in Indien nicht an und war schon vor der mohammedanischen Invasion erloschen. Aber vielleicht wird sich eines Tages ein größerer Gautama erheben, um ganz Indien bei der Suche nach dem lebendigen Gott anzuführen, und dann wird die Welt Zeuge der Verwirklichung des kulturellen Potentials eines vielseitigen Volkes werden, das unter dem lähmenden Einfluss einer nicht fortschrittlichen geistigen Vision so lange in Lethargie gefallen war.
Kultur beruht immer auf einer biologischen Grundlage, aber die Kaste allein vermochte die arische Kultur nicht aufrechtzuerhalten, denn Religion, wahre Religion, ist der unerlässliche Quell jener höheren Energie, die die Menschen dazu antreibt, eine hochstehende, auf menschlicher Brüderlichkeit beruhende Zivilisation zu errichten.