Kapital ist Arbeit, gebraucht im Hinblick auf Zukünftiges unter Verzicht auf Gegenwärtiges. Ersparnisse stellen eine Form von Versorgungs- und Überlebensversicherung dar. Nahrungshortung entwickelte die Selbstdisziplin und schuf die ersten Probleme zwischen Kapital und Arbeit. Derjenige, der Nahrung besaß und sie vor Räubern zu schützen wusste, hatte gegenüber einem, der keine besaß, einen eindeutigen Vorteil.
Der frühe Bankier war der heldenhafteste Mann des Stammes. Bei ihm waren die Gruppenschätze hinterlegt, und der ganze Klan verteidigte seine Hütte im Falle eines Angriffs. So führte die Anhäufung individuellen Kapitals und Gruppenreichtums sofort zu militärischer Organisation. Zu Beginn dienten solche Vorsichtsmaßnahmen nur der Verteidigung des Besitzes gegen feindliche Plünderer, aber später wurde es zur Gewohnheit, die Schlagkraft der militärischen Organisation dadurch aufrechtzuerhalten, dass man Beutezüge gegen Besitz und Reichtum benachbarter Stämme unternahm.
Die grundlegenden Anstöße, die zur Anhäufung von Kapital führten, waren:
1. Hunger – gepaart mit Weitblick. Sparen und Konservieren von Nahrung bedeutete Macht und Bequemlichkeit für diejenigen, die genügend Voraussicht besaßen, um auf diese Weise für künftige Bedürfnisse vorzusorgen. Die Anlage von Nahrungsvorräten war eine gute Versicherung gegen Hungersnot und Katastrophen. Und die primitiven Sitten in ihrer Gesamtheit waren wirklich darauf ausgerichtet, den Menschen zu helfen, die Gegenwart der Zukunft unterzuordnen.
2. Liebe zur Familie – der Wunsch, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Kapital stellt Eigentum dar, das man trotz des durch den täglichen Bedarf ausgeübten Drucks erspart, um sich gegen die Forderungen der Zukunft zu versichern. Ein Teil dieser zukünftigen Bedürfnisse betrifft unter Umständen die eigenen Nachkommen.
3. Eitelkeit – der sehnliche Wunsch, seinen angehäuften Besitz zur Schau zu stellen. Besondere Kleidung war eines der ersten Kennzeichen betonter Vornehmheit. Schon bald schmeichelte es dem Stolz der Menschen, sich mit einer Sammlung zu brüsten.
4. Rang – das heftige Verlangen, soziales und politisches Prestige zu kaufen. Früh entstand ein Geschäfts-Adel. Die Aufnahme in seine Reihen hing davon ab, ob jemand dem Königshaus einen besonderen Dienst erweisen konnte, oder sie wurde unverhohlen gegen Bezahlung von Geld gewährt.
5. Macht – der unbändige Drang, Herr zu sein. Das Ausleihen von Reichtum wurde als Mittel zur Versklavung gehandhabt, denn der Zinssatz jener alten Zeiten betrug jährlich hundert Prozent. Die Geldverleiher machten sich durch die Schaffung eines stehenden Heeres von Schuldnern selbst zu Königen. Leibeigene Diener waren eine der frühesten Formen angehäuften Eigentums, und in alter Zeit ging die Versklavung durch Verschuldung sogar bis zur Verfügung über den Körper nach dem Tode.
6. Furcht vor den Geistern der Verstorbenen – Abgaben an die Priester als Schutz. Die Menschen begannen schon früh, den Priestern im Hinblick auf den Tod aus der Überlegung heraus Geschenke zu machen, eine solche Verwendung ihres Besitzes würde ihnen den Weg durch das nächste Leben ebnen. Dadurch wurden die Priester sehr reich; sie kamen unter den alten Kapitalisten an erster Stelle.
7. Der Geschlechtstrieb – der Wunsch, eine oder mehrere Frauen zu kaufen. Die erste Handelsform des Menschen war der Frauentausch; er ging dem Pferdehandel weit voraus. Aber der Tauschhandel mit sexuellen Sklaven brachte die Gesellschaft nie voran; ein solcher Kommerz war und ist für eine Rasse schimpflich, denn er war der Entwicklung des Familienlebens hinderlich und verschmutzte zugleich die biologische Gesundheit höherer Völker.
8. Zahlreiche Formen von Selbst-Beglückung. Einige trachteten nach Reichtum, weil er Macht verlieh; andere rackerten sich für Besitz ab, weil er Behagen bedeutete. Die frühen Menschen (und einige spätere) neigten dazu, ihr Gut für Luxus zu verschwenden. Berauschende Getränke und Drogen faszinierten die primitiven Rassen.
Mit der Entwicklung der Zivilisation gab es für die Menschen neue Anreize zum Sparen; rasch gesellten sich zum ursprünglichen Nahrungshunger neue Bedürfnisse. Armut wurde derart verabscheut, dass man annahm, nur die Reichen würden beim Tod direkt in den Himmel gelangen. Man maß dem Besitz einen derart hohen Wert bei, dass, wer ein protziges Fest gab, seinen Namen mit einem Schlag von Schande befreien konnte.
Angehäufter Reichtum wurde früh zum Kennzeichen gesellschaftlichen Ansehens. Bei gewissen Stämmen häuften Einzelne über Jahre Besitz an, nur um damit zu beeindrucken, dass sie ihn an einem Festtag in Flammen aufgehen ließen oder großzügig unter die Stammesbrüder verteilten. Das machte aus ihnen große Männer. Auch heutige Völker verteilen mit Genuss Weihnachtsgeschenke in Fülle, während reiche Männer Schenkungen an große philantropische und erzieherische Institutionen machen. Die Technik des Menschen wechselt, aber seine Grundeinstellung bleibt dieselbe.
Es muss aber gerechterweise auch daran erinnert werden, dass manch ein damaliger reicher Mann einen großen Teil seines Vermögens aus Angst davor verteilte, von den nach seinen Schätzen Gierenden umgebracht zu werden. Reiche Männer pflegten Sklaven dutzendweise zu opfern, um ihre Verachtung des Reichtums zu zeigen.
Obwohl das Kapital die Befreiung des Menschen begünstigt hat, hat es auch seine gesellschaftliche und industrielle Organisation gewaltig kompliziert. Der Missbrauch des Kapitals durch unfaire Kapitalisten kann nicht die Tatsache beseitigen, dass es die Grundlage der modernen industriellen Gesellschaft ist. Dank Kapital und Erfindergeist erfreut sich die gegenwärtige Generation eines höheren Freiheitsgrades als irgendeine ihr auf der Erde vorausgegangene. Das sei als Tatsache vermerkt und nicht zur Rechtfertigung der vielen Missbräuche des Kapitals durch seine gedankenlosen und eigensüchtigen Verwalter.