Die für diese Zeiten bezeichnenden Phänomene periodischer Hebung und Senkung des Landes geschahen stets allmählich und auf unspektakuläre Weise und waren nur von geringer oder gar keiner vulkanischen Aktivität begleitet. Während all dieser aufeinander folgenden Landhebungen und -senkungen teilte der asiatische Mutterkontinent nicht in allem die Geschichte der anderen Landmassen. Er erlitt viele Überschwemmungen, indem er insbesondere in seiner früheren Geschichte zuerst nach einer Richtung und dann nach einer anderen hin einsank, aber er zeigt nicht die gleichförmigen Gesteinsablagerungen, die man auf den anderen Kontinenten entdecken kann. In den neueren Zeitaltern ist Asien von allen Landmassen die stabilste gewesen.
Vor 350 000 000 Jahren begann die große Periode der Überflutung aller Kontinente mit Ausnahme Zentralasiens. Die Landmassen wurden wiederholt unter Wasser gesetzt; nur die küstennahen Hochländer ragten aus diesen unbeständigen, flachen aber ausgedehnten Binnenmeeren heraus. Drei größere Überflutungen charakterisierten diese Periode, aber bevor sie zu Ende ging, traten die Kontinente wieder hervor, und das aufgetauchte Land lag insgesamt um fünfzehn Prozent über dem heutigen Stand. Die karibische Region ragte hoch heraus. Diese Periode lässt sich in Europa nicht gut abgrenzen, weil die Landfluktuationen geringer waren, während die Vulkantätigkeit in bedeutenderem Maße fortdauerte.
Vor 340 000 000 Jahren kam es mit Ausnahme Asiens und Australiens wieder zu einem bedeutenden Absinken des Landes. Allgemein vermischten sich die Wasser der Weltozeane miteinander. Das war ein großes Kalksteinzeitalter, wobei ein großer Teil des in ihm abgelagerten Gesteins von Kalk ausscheidenden Algen stammt.
Ein paar Millionen Jahre später begannen große Abschnitte der amerikanischen Kontinente und Europas aus dem Wasser aufzutauchen. In der westlichen Hemisphäre blieb nur ein Arm des Pazifischen Ozeans über Mexiko und über der Gegend der gegenwärtigen Rocky Mountains bestehen, aber gegen Ende dieser Epoche begannen die atlantische und die pazifische Küste wieder zu sinken.
Vor 330 000 000 Jahren beginnt auf der ganzen Welt ein Zeitabschnitt vergleichsweiser Ruhe. Wieder befindet sich viel Land über dem Wasser. Die einzige Ausnahme in dieser auf der Erde herrschenden Ruhe war der Ausbruch des großen nordamerikanischen Vulkans im östlichen Kentucky. Es war eine der größten einzelnen Vulkanaktivitäten, die die Welt je erlebt hat. Die Asche dieses Vulkans bedeckte die Erde über tausenddreihundert Quadratkilometer hinweg mit einer fünf bis sechs Meter tiefen Schicht.
Vor 320 000 000 Jahren ereignete sich die dritte große Überflutung dieser Periode. Ihre Wassermassen bedeckten alles während der vorangegangenen Sintflut überschwemmte Land und erstreckten sich in vielen Richtungen noch weiter über die beiden Amerikas und über Europa. Der Osten Nordamerikas und Westeuropa lagen drei- bis viertausendfünfhundert Meter tief unter Wasser.
Vor 310 000 000 Jahren lagen die Landmassen der Welt mit Ausnahme der südlichen Teile Nordamerikas wieder ordentlich über dem Meeresspiegel. Mexiko tauchte auf und schuf dadurch den gleichnamigen Golf, der seither stets so geblieben ist.
Das Leben entwickelt sich in dieser Periode weiter. Die Welt ist wieder einmal ruhig und relativ friedlich; das Klima bleibt mild und ausgeglichen; die Landpflanzen wandern immer weiter von den Küstenstrichen weg. Die Lebensmuster sind gut entwickelt, obwohl man nur wenig Versteinerungen von Pflanzen aus dieser Zeit finden kann.
Das war das große Zeitalter der Evolution individueller Tierorganismen, obwohl viele der grundlegenden Veränderungen, wie der Übergang von der Pflanze zum Tier, schon früher stattgefunden hatten. Die marine Fauna entwickelte sich so weit, dass jeder Lebenstyp unterhalb der Wirbeltiere in den Fossilien des damals abgelagerten Gesteins vertreten ist. Aber all diese Tiere waren Meeresorganismen. Es waren noch keine Landtiere erschienen außer einigen Typen von Würmern, die sich am Meeresufer entlang eingruben. Ebenso wenig hatten sich die Landpflanzen über die Kontinente ausgebreitet. Es gab noch zu viel Kohlendioxyd in der Luft, um die Existenz von Luftatmern zu gestatten. Grundsätzlich hängen alle Tiere mit Ausnahme einiger der primitiveren mit ihrer Existenz direkt oder indirekt vom Pflanzenleben ab.
Die Trilobiten waren immer noch vorherrschend. Diese kleinen Tiere existierten in zehntausenden von Erscheinungsformen. Sie sind die Vorläufer der heutigen Krustentiere. Einige Trilobiten besaßen fünfundzwanzig bis viertausend winzige Äuglein; andere hatten verkümmerte Augen. Am Ende dieser Periode teilten die Trilobiten die Herrschaft über die Meere mit mehreren anderen Formen wirbellosen Lebens. Aber zu Beginn der nächsten Periode gingen sie vollständig unter.
Kalk ausscheidende Algen waren weit verbreitet. Die frühen Vorfahren der Korallen existierten in Tausenden von Arten. Es gab Meereswürmer in großer Zahl und viele Quallenarten, die seither ausgestorben sind. Korallen und die späteren Schwammarten entwickelten sich. Die Cephalopoden waren gut entwickelt, und sie haben im heutigen perlmutterfarbigen Nautilus und in verschiedenen Tintenfischarten überlebt.
Es gab viele Arten von Schalentieren, aber sie gebrauchten ihre Schalen damals nicht so sehr für defensive Zwecke wie in späteren Zeitaltern. Auch die Gastropoden waren in den Wassern der alten Meere vorhanden, und sie umfassten einschalige Bohrtiere, Uferschnecken und Schnecken. Die Bivalven sind über all die Millionen von Jahren praktisch unverändert zu uns gekommen, und sie umfassen die Muscheln, Venusmuscheln, Austern und Kammmuscheln. Die mit Klappen beschalten Organismen entwickelten sich ebenfalls, und diese Brachiopoden lebten in den einstigen Gewässern praktisch in ihrer heutigen Form; sie besaßen an ihren Klappen sogar Scharniere und Nuten und andere Schutzvorrichtungen.
So endet die Evolutionsgeschichte der zweiten großen Periode marinen Lebens, die eure Geologen als das Ordovizium kennen.