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Die Auferstehung

4. Entdeckung des leeren Grabes

189:4.1

Jetzt, da an diesem frühen Sonntagmorgen die Stunde der Auferstehung Jesu naht, sollten wir uns daran erinnern, dass die zehn Apostel sich im Hause von Elija und Maria Markus aufhielten, wo sie im oberen Raum auf denselben Liegen schliefen, auf denen sie während des letzten Abendmahls mit ihrem Meister gelagert hatten. An diesem Sonntagmorgen waren sie dort alle mit Ausnahme von Thomas versammelt. Als sie am Samstagabend zum ersten Mal wieder zusammen waren, blieb Thomas einige Minuten bei ihnen, aber der Anblick der Apostel verbunden mit dem Gedanken an das, was Jesus widerfahren war, war zu viel für ihn. Er warf einen Blick auf seine Gefährten und verließ sofort den Raum. Er begab sich zum Hause Simons in Bethphage, wo er in der Einsamkeit seinen trüben Gedanken nachhängen wollte. Alle Apostel litten, und zwar weniger unter Zweifeln oder aus Verzweiflung als aus Furcht, Kummer und vor Schande.

189:4.2

Im Hause des Nikodemus waren nebst David Zebedäus und Joseph von Arimathäa zwölf bis fünfzehn der angeseheneren Jesusjünger von Jerusalem versammelt. Im Hause Josephs von Arimathäa weilten fünfzehn bis zwanzig der führenden gläubigen Frauen. Diese Frauen hielten sich in Josephs Haus allein auf, und sie hatten den ganzen Sabbattag und den darauf folgenden Abend darin hinter verschlossenen Türen verbracht, so dass sie nichts von der militärischen Bewachung des Grabes erfahren hatten; ebenso wenig wussten sie, dass ein zweiter Stein vor das Grab gerollt und beide Steine mit dem Siegel des Pilatus versehen worden waren.

189:4.3

Als an diesem Sonntagmorgen kurz vor drei Uhr im Osten die ersten Zeichen des Tages erschienen, machten sich fünf dieser Frauen auf den Weg zum Grab Jesu. Sie hatten reichlich besondere Tinkturen zum Einbalsamieren vorbereitet und trugen viele Leinenbinden bei sich. Sie hatten vor, Jesu Leichnam eine gründlichere Totenölung zu geben und ihn mit den neuen Binden sorgfältiger zu umwickeln.

189:4.4

Die Frauen, die die Aufgabe, Jesu Leichnam einzubalsamieren, übernom­men hatten, waren: Maria Magdalena, Maria, die Mutter der Alphäus-Zwil­linge, Salome, die Mutter der Zebedäus Brüder, Johanna, die Frau des Chuza, und Susanna, die Tochter Ezras von Alexandrien.

189:4.5

Es war etwa halb vier Uhr, als die fünf mit ihren Ölen beladenen Frauen vor dem leeren Grab ankamen. Als sie aus dem Damaskustor traten, begegneten sie einer Anzahl Soldaten, die in ziemlicher Panik in die Stadt flohen, und das bewog sie, einige Minuten anzuhalten; aber als weiter nichts geschah, setzten sie ihren Weg fort.

189:4.6

Sie waren sehr überrascht, als sie den Stein vom Eingang des Grabes weggerollt fanden, umso mehr als sie auf dem Hinweg zueinander gesagt hatten: „Wer wird uns helfen, den Stein wegzurollen?“ Sie legten ihre Last nieder und begannen, ein-ander ängstlich und mit großem Erstaunen anzusehen. Während sie vor Furcht zitternd dastanden, wagte sich Maria Magdalena um den kleineren Stein herum vor und war so kühn, die offene Gruft zu betreten. Das Grab Josephs befand sich in dessen Garten am Abhang auf der Ostseite der Straße, und es blickte ebenfalls nach Osten. Zu dieser Stunde war der heraufdämmernde neue Tag gerade hell genug, um es Maria zu erlauben, einen Blick auf die Stelle, an der des Meisters Leichnam gelegen hatte, zu werfen und festzustellen, dass er verschwunden war. In der Steinnische, wohin sie Jesus gelegt hatten, erblickte Maria nur das gefaltete Tuch, auf dem sein Kopf geruht hatte, und die Binden, in die er gewickelt worden war – unversehrt und so wie sie auf dem Stein gelegen hatten, bevor die himmlischen Scharen den Körper entfernt hatten. Das bedeckende Laken lag am Fuße der Begräbnisnische.

189:4.7

Nachdem Maria einige Augenblicke lang im Grabeingang gezögert hatte (sie konnte anfangs beim Betreten des Gewölbes nur undeutlich sehen), stellte sie fest, dass Jesu Leichnam verschwunden war und an seiner Stelle nur die Grabtücher lagen, und vor Bestürzung stieß sie einen Angstschrei aus. All diese Frauen waren nervlich äußerst gespannt; sie waren schon sehr beunruhigt gewesen, seit sie am Stadttor den von Panik gepackten Soldaten begegnet waren, und als Maria diesen Angstschrei ausstieß, erfasste sie Entsetzen und sie flohen überstürzt davon und hielten nicht eher an, als bis sie den ganzen Weg bis zum Damaskustor gerannt waren. Da empfand Johanna auf einmal Gewissensbisse, dass sie Maria zurückgelassen hatten; sie rief ihre Gefährtinnen zusammen und sie kehrten wieder zum Grab zurück.

189:4.8

Als sie sich dem Grab näherten, eilte ihnen die angsterfüllte Magdalena entgegen, die von noch größerem Schrecken erfasst worden war, als sie beim Verlassen des Grabes ihre wartenden Schwestern nicht mehr vorgefunden hatte, und sie rief aufgeregt: „Er ist nicht mehr da – man hat ihn weggebracht!“ Sie führte sie zum Grab zurück, und sie traten alle ein und sahen, dass es leer war.

189:4.9

Da setzten sich alle fünf Frauen auf den Stein beim Eingang und besprachen die Situation. Es war ihnen noch nicht aufgegangen, dass Jesus auferweckt worden war. Sie waren den Sabbat über allein gewesen, und sie mutmaßten, dass der Leichnam an eine andere Ruhestätte gebracht worden war. Aber während sie in ihrer Ratlosigkeit über eine solche Erklärung nachsannen, waren sie doch außerstande, sich die säuberliche Anordnung der Grabtücher zu erklären. Wie hatte der Leichnam nur entfernt werden können, während doch die ihn umwickelnden Binden in unveränderter Lage und offenbar intakt auf dem Grabsims belassen worden waren?

189:4.10

Während die Frauen in der frühen Dämmerstunde des neuen Tages dasaßen, schauten sie zur Seite und erblickten einen schweigenden und unbeweglichen Fremden. Einen Augenblick lang erschraken sie erneut, aber Maria Magdalena stürzte zu ihm hin und sprach ihn an in der Meinung, er sei der Gärtner. Sie sagte: „Wo habt ihr den Meister hingebracht? Wo hat man ihn hingelegt? Sag es uns, damit wir ihn holen können.“ Als der Fremde Maria keine Antwort gab, begann sie zu weinen. Da sprach Jesus zu den Frauen: „Wen sucht ihr?“ Maria erwiderte: „Wir suchen Jesus, der in Josephs Grab beigesetzt worden ist, aber er ist nicht mehr da. Weißt du, wo man ihn hingebracht hat?“ Da sagte Jesus: „Hat dieser Jesus euch nicht schon in Galiläa gesagt, dass er sterben, aber wieder auferstehen werde?“ Diese Worte versetzten die Frauen in großes Staunen, aber der Meister war derart verändert, dass sie ihn, der mit dem Rücken zum Dämmerlicht stand, noch nicht erkannten. Und während sie über seine Worte nachsannen, sagte er zu Magdalena in vertrautem Tonfall: „Maria.“ Und als sie dieses in so vertrautem Tone gesprochene, liebevolle Grußwort vernahm, wusste sie, dass es des Meisters Stimme war, und sie fiel ihm eilig mit dem Ausruf zu Füßen: „Mein Herr und mein Meister!“ Und alle anderen Frauen erkannten, dass es der Meister war, der in verherrlichter Gestalt vor ihnen stand, und sogleich knieten sie vor ihm nieder.

189:4.11

Dank den besonderen Diensten von Umwandlern und Mittlern in Zu­sam­menarbeit mit bestimmten morontiellen Persönlichkeiten, die damals Jesus begleiteten, wurden diese menschlichen Augen befähigt, Jesu morontielle Gestalt zu sehen.

189:4.12

Als Maria seine Füße umarmen wollte, sagte Jesus: „Berühre mich nicht, Maria, denn ich bin nicht so, wie du mich als Mensch gekannt hast. Ich werde eine Zeit lang in dieser Gestalt bei euch verweilen, bevor ich zum Vater aufsteige. Aber geht nun alle und sagt meinen Aposteln – und Petrus – dass ich auferstanden bin und dass ihr mit mir gesprochen habt.“

189:4.13

Nachdem sich die Frauen vom Schock ihrer Verblüffung erholt hatten, eilten sie zur Stadt und zum Hause von Elija Markus zurück, wo sie den zehn Aposteln alles, was ihnen zugestoßen war, berichteten; aber die Apostel waren nicht geneigt, ihnen Glauben zu schenken. Sie dachten zuerst, die Frauen hätten eine Vision gehabt; aber als Maria Magdalena die Worte, die Jesus zu ihr gesprochen hatte, wiederholte, und Petrus seinen Namen hörte, stürzte er aus dem oberen Raum, dicht gefolgt von Johannes, um zum Grab hinauszueilen und die Dinge mit eigenen Augen zu sehen.

189:4.14

Die Frauen berichteten den anderen Aposteln erneut von ihrem Gespräch mit Jesus, aber sie wollten ihnen nicht glauben; und sie gingen auch nicht wie Petrus und Johannes, um es selbst herauszufinden.


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