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Abwarten und lehren am Seeufer

5. Der Besuch in Kheresa

151:5.1

Unaufhörlich schwoll die Menge während der ganzen Woche an. Am Sabbat entfloh Jesus in die Berge, aber mit dem Sonntagmorgen kehrten die Massen zurück. Am frühen Nachmittag sprach Jesus nach der Predigt des Petrus zu ihnen, und als er geendet hatte, sagte er zu seinen Aposteln: „Ich bin der Massen müde; lasst uns auf die andere Seite übersetzen, um einen Tag lang auszuruhen.“

151:5.2

Auf der Fahrt über den See wurden sie von einem jener heftigen und plötzlichen Stürme überrascht, die besonders in dieser Jahreszeit für das Galiläische Meer charakteristisch sind. Dessen Wasserfläche liegt mehr als zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel und ist besonders im Westen von hohen Uferböschungen umgeben. Vom See führen steile Schluchten in die Berge hinauf, und da am Tage eine Ansammlung erhitzter Luft über dem See aufsteigt, neigt die sich abkühlende Luft der Schluchten nach Sonnenuntergang dazu, auf den See hinabzufegen. Diese Stürme treten plötzlich auf und verziehen sich manchmal ebenso rasch wieder.

151:5.3

Gerade ein solcher abendlicher Sturm überraschte das Boot, das Jesus an diesem Sonntagabend an das andere Ufer hinübertrug. Drei weitere Boote mit einigen jüngeren Evangelisten fuhren hinterher. Es war ein sehr schwerer Sturm, obwohl er auf diesen Teil des Sees beschränkt war und am Westufer nichts auf ihn hindeutete. Der Wind blies so heftig, dass die Wellen begannen, über dem Boot zusammenzuschlagen. Bevor die Apostel das Segel einrollen konnten, hatte ein Windstoß es weggerissen, und, nun ausschließlich auf ihre Ruder angewiesen, bewegten sie sich nur mühsam auf das knapp drei Kilometer entfernte Ufer zu.

151:5.4

Unterdessen lag Jesus schlafend im Schiffsheck unter einem kleinen schützenden Aufbau. Der Meister war müde, als sie Bethsaida verließen, und um sich Ruhe zu sichern, hatte er sie angewiesen, mit ihm auf die andere Seite hinüberzusegeln. Diese ehemaligen Fischer waren kräftige und erfahrene Ruderer, aber dies war einer der schlimmsten Stürme, die sie je erlebt hatten. Obwohl der Wind und die Wellen ihr Boot herumwarfen, als wäre es ein Spielzeug, schlummerte Jesus ungestört weiter. Petrus war am rechten Ruder nahe beim Heck. Als das Boot sich mit Wasser zu füllen begann, ließ er sein Ruder fallen, stürzte zu Jesus hinüber, schüttelte ihn heftig, um ihn aufzuwecken, und als er wach war, sagte er zu ihm: „Meister, weißt du nicht, dass wir in einem gewaltigen Sturm sind? Wenn du uns nicht rettest, werden wir alle umkommen.“

151:5.5

Als Jesus in den Regen hinaustrat, schaute er zuerst Petrus an, spähte dann in der Dunkelheit nach den kämpfenden Ruderern, blickte wiederum auf Simon Petrus, der in der Aufregung noch nicht an sein Ruder zurückgekehrt war, und sprach: „Warum seid ihr alle so angsterfüllt? Wo ist euer Glaube? Friede, seid ruhig.“ Kaum hatte Jesus diesen Vorwurf an Petrus und die anderen Apostel gerichtet, kaum hatte er Petrus aufgefordert, Frieden zu suchen, um seine verängstigte Seele zu beruhigen, als die gestörte Atmosphäre ihr Gleichgewicht wiederfand und sich eine tiefe Ruhe einstellte. Die zornigen Wellen legten sich fast auf der Stelle, während die dunklen Wolken, die sich in einem kurzen Schauer entleert hatten, verschwanden und die Sterne am Firmament funkelten. Soweit wir es beurteilen können, war all dies reiner Zufall; aber die Apostel, allen voran Simon Petrus, hörten nie auf, diese Episode als ein Natur­wunder zu betrachten. Es fiel den damaligen Menschen besonders leicht, an Naturwunder zu glauben, da sie der festen Überzeugung waren, die ganze Natur sei ein unter direkter Kontrolle geistiger Kräfte und übernatürlicher Wesen stehendes Phänomen.

151:5.6

Jesus setzte den Zwölfen klar auseinander, dass er zu ihren beunruhigten Seelen gesprochen und sich an ihre angstgeschüttelten Gemüter gerichtet habe, dass er den Elementen nicht befohlen habe, seinem Wort zu gehorchen; aber all das war vergeblich. Die Anhänger des Meisters beharrten stets darauf, all solchen zufälligen Ereignissen ihre eigene Deutung zu geben. Von diesem Tag an hielten sie an der Ansicht fest, der Meister habe absolute Gewalt über die Naturelemente. Petrus wurde nie müde zu proklamieren, dass „ihm selbst die Winde und Wellen gehorchen“.

151:5.7

Jesus und seine Gefährten erreichten das Ufer erst spät an diesem Abend, und da es eine stille und schöne Nacht war, ruhten sie alle in den Booten und gingen erst am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang an Land. Als alle, ungefähr vierzig an der Zahl, versammelt waren, sagte Jesus: „Gehen wir in die Berge hinüber und bleiben dort ein paar Tage, derweilen wir über die Probleme des Königreichs des Vaters nachdenken.“


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