◄ 150:7
Schrift 150
150:9 ►

Die dritte Predigtrundreise

8. Der Sabbatgottesdienst

150:8.1

Dieser Sabbat war ein schöner Tag, und ganz Nazareth, Freund und Feind, zog aus, um den früheren Bürger ihrer Stadt in der Synagoge sprechen zu hören. Viele Angehörige des apostolischen Gefolges mussten vor der Synagoge bleiben; es gab nicht genügend Platz für alle, die gekommen waren, um ihn zu hören. Als junger Mann hatte Jesus oft an diesem Ort der Andacht gesprochen, und als ihm an diesem Morgen der Synagogenvorsteher die heilige Schriftrolle überreichte, damit er daraus einen Schrifttext vorlese, schien sich niemand unter den Anwesenden daran zu erinnern, dass es sich dabei um genau jene alte Handschrift handelte, die er der Synagoge geschenkt hatte.

150:8.2

Der Ablauf des Gottesdienstes war an diesem Tag genau so, wie Jesus ihn als Knabe erlebt hatte. Er bestieg das Rednerpodium mit dem Synagogenvorsteher, und der Gottesdienst wurde mit der Lesung von zwei Gebeten begonnen: „Gesegnet sei der Herr, der König der Welt, der Licht und Finsternis erschafft, der Frieden stiftet und aller Dinge Schöpfer ist; welcher der Erde und ihren Bewohnern in seiner Barmherzigkeit Licht gibt und der in seiner Güte Tag für Tag und immer wieder die Werke der Schöpfung erneuert. Gesegnet sei der Herr unser Gott für die Herrlichkeit des Werkes seiner Hände und für die Licht spendenden Gestirne, die er zu seinem Ruhm erschaffen hat. Selah. Gesegnet sei der Herr unser Gott, der die Gestirne erschaffen hat.“

150:8.3

Nach einer kleinen Pause beteten sie weiter: „Mit großer Liebe hat der Herr unser Gott uns geliebt, und mit überquellendem Erbarmen hat er sich unser erbarmt, unser Vater und unser König, um unserer Väter Willen, die ihm vertrauten. Du hast sie die Satzungen des Lebens gelehrt; erbarme dich unser und lehre uns. Öffne unsere Augen für das Gesetz; bewege unsere Herzen dazu, sich an deine Gebote zu halten; vereinige unsere Herzen in der Liebe und Furcht deines Namens, und so werden wir nicht zu Schanden kommen, immer und ewig. Denn du bist ein Gott, der die Rettung vorbereitet, und uns hast du unter allen Völkern und Nationen auserwählt, und wahrlich hast du uns in die Nähe deines großen Namens gebracht – Selah – damit wir voller Liebe deine Einheit preisen. Gesegnet sei der Herr, der in seiner Liebe das Volk Israel erwählte.“

150:8.4

Danach sprach die Versammlung die Shema, das jüdische Glaubensbe­kenntnis. Dieses Ritual bestand in der Wiederholung zahlreicher Abschnitte aus dem Gesetz und drückte aus, dass die Betenden das Joch des Königreichs des Himmels sowie das Joch der Tag und Nacht zu beobachtenden Gebote auf sich nahmen.

150:8.5

Und dann folgte das dritte Gebet: „Du bist wahrlich Jahve, unser Gott und der Gott unserer Väter; unser König und der König unserer Väter; unser Retter und der Retter unserer Väter; unser Schöpfer und der Fels unserer Errettung; unsere Hilfe und unser Erlöser. Dein Name kommt aus der Ewigkeit, und es gibt keinen Gott außer dir. Ein neues Lied sangen die Befreiten deinem Namen am Meeresufer; alle zusammen priesen dich, erkannten dich als König an und sagten, Jahve soll regieren, immer und ewig. Gesegnet sei der Herr, der Israel errettet.“

150:8.6

Der Vorsteher der Synagoge nahm dann seinen Platz vor der Lade oder dem Schrein ein, worin die heiligen Schriften aufbewahrt wurden, und begann mit dem Hersagen der neunzehn Gebetslobpreisungen oder Segenssprüche. Aber bei diesem Anlass war es wünschenswert, den Dienst zu kürzen, um dem erlauchten Gast mehr Zeit für seine Ansprache zu geben; aus diesem Grunde wurden nur der erste und letzte Segensspruch rezitiert. Der erste lautete: „Gesegnet sei der Herr unser Gott und der Gott unserer Väter, der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs; der große, der mächtige und der schreckliche Gott, der Barmherzigkeit und Güte zeigt, der alle Dinge erschafft, der sich der gnadenreichen, den Vätern gegebenen Versprechen erinnert und um seines eigenen Namens Willen deren Kindeskindern in seiner Liebe einen Erlöser sendet. Oh König, Helfer, Retter und Schild! Gesegnet seist du, oh Jahve, Schild Abrahams.“

150:8.7

Hierauf folgte der letzte Segensspruch: „Oh schenke deinem Volke Israel tiefen Frieden für immer, denn du bist der König und der Herr allen Friedens. Und in deinen Augen ist es gut, Israel zu allen Zeiten und zu jeder Stunde mit Frieden zu segnen. Gesegnet seist du, Jahve, der du das Volk Israel mit Frieden segnest.“ Die Versammlung blickte nicht zum Vorsteher hin, während er die Segenssprüche hersagte. Nach diesen sprach er ein freies, zu dem Anlass passendes Gebet, und als dieses zu Ende war, fiel die ganze Versammlung mit einem Amen ein.

150:8.8

Dann ging der Chazan zum Schrein hinüber und entnahm ihm eine Rolle, die er Jesus überreichte, damit er den Text aus der Schrift lese. Es war Sitte, sieben Personen aufzurufen, die nicht weniger als drei Verse aus dem Gesetz zu lesen hatten; aber auf diesen Brauch wurde bei dieser Gelegenheit verzichtet, damit der Gast eine Schriftstelle eigener Wahl lesen könne. Jesus nahm die Rolle, erhob sich und begann, aus dem Deuteronomium zu lesen: „Denn das Gebot, das ich dir heute gebe, ist nicht verborgen, noch ist es weit weg. Es ist nicht im Himmel, dass du etwa sagen könntest, wer will für uns in den Himmel fahren und es zu uns herunterholen, damit wir es hören und befolgen können? Noch ist es jenseits des Meeres, dass du sagen könntest, wer will für uns über das Meer fahren und uns das Gebot bringen, damit wir es hören und befolgen können? Nein, das Wort des Lebens ist ganz nahe bei dir, sogar in deiner Gegenwart und in deinem Herzen, damit du es kennen und ihm gehorchen mögest.“

150:8.9

Nachdem er diese Lesung aus dem Gesetz beendet hatte, schlug er Jesaja auf und begann zu lesen: „Der Geist des Herrn ist über mir, denn er hat mich gesalbt, um den Bedürftigen die gute Nachricht zu predigen. Er hat mich gesandt, um den Gefangenen Befreiung und den Blinden Wiedergewinnung ihres Augenlichtes zu verkündigen, die Geschlagenen freizulassen und das gnadenvolle Jahr des Herrn auszurufen.“

150:8.10

Jesus schloss das Buch, gab es dem Synagogenvorsteher zurück, setzte sich und fing an, zu den Leuten zu sprechen. Seine ersten Worte waren: „Heute sind diese Schriften erfüllt.“ Und dann sprach Jesus fast eine Viertelstunde lang über „Die Söhne und Töchter Gottes“. Vielen Anwesenden gefiel seine Rede, und sie staunten über seine Freundlichkeit und Weisheit.

150:8.11

In der Synagoge war es Brauch, dass der Redner nach Beendigung des offiziellen Gottesdienstes noch dablieb, damit ihm die Interessierten Fragen stellen konnten. Also stieg Jesus an diesem Sabbatmorgen in die Menge hinunter, die sich herandrängte, um ihm Fragen zu stellen. Darunter befanden sich auch viele Unruhestifter, die Böses im Schilde führten, während am Rande der Menge jene verkommenen Männer herumgingen, die angeworben worden waren, um Jesus Schwierigkeiten zu bereiten. Viele Jünger und Evangelisten, die draußen geblieben waren, drängten nun in die Synagoge und merkten bald, dass sich Unheil zusammenbraute. Sie versuchten, den Meister wegzuführen, aber er weigerte sich, mit ihnen zu gehen.


◄ 150:7
 
150:9 ►