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Die Übergangsjahre

8. Der Aufenthalt auf dem Berg Hermon

134:8.1

Nachdem er sich einige Zeit in der Nachbarschaft von Cäsarea-Philippi aufgehalten hatte, deckte sich Jesus mit Vorräten ein, besorgte ein Lasttier und einen Burschen namens Tiglath und ging dann auf der Straße nach Damaskus weiter bis zu einem ehemals Beit Jenn genannten Dorf in den Ausläufern des Bergs Hermon. Hier schlug er um die Augustmitte des Jahres 25 n. Chr. sein Hauptlager auf, ließ seine Vorräte in der Obhut Tiglaths und stieg die einsamen Hänge des Berges hinauf. An diesem ersten Tag begleitete Tiglath ihn noch bis zu einem bestimmten Punkt ca. 2 000 Meter über dem Meeresspiegel, wo sie ein Steinhäuschen errichteten, in das Tiglath zweimal in der Woche Nahrung zu legen hatte.

134:8.2

Nachdem er Tiglath zurückgelassen hatte, stieg Jesus an diesem ersten Tag nur wenig höher und hielt dann an, um zu beten. Unter anderem bat er seinen Vater darum, seinen Schutzengel zurückzuschicken, um „bei Tiglath zu sein“. Er bat um die Erlaubnis, für seine letzte Auseinandersetzung mit den Realitäten der sterblichen Existenz allein in die Höhe hinaufzugehen, und seiner Bitte wurde stattgegeben. In diese große Prüfung ging er lediglich mit seinem ihm innewohnenden Justierer als Führer und Beistand.

134:8.3

Jesus aß während dieser Zeit auf dem Berg nur spärlich, fastete aber höch­stens einen bis zwei Tage auf einmal. Die übermenschlichen Wesen, die ihm auf diesem Berg gegenübertraten, mit denen er im Geiste rang und deren Macht er besiegte, existierten wirklich; sie waren seine Erzfeinde im System von Satania; sie waren keine aus der Einbildung geborenen Hirngespinste, die den intellektuellen Phantastereien eines geschwächten und ausgehungerten Sterblichen entsprungen wären, der die Wirklichkeit nicht mehr von den Visionen eines verwirrten Geistes zu unterscheiden vermochte.

134:8.4

Jesus verbrachte die letzten drei Augustwochen und die ersten drei Septemberwochen auf dem Berg Hermon. In dieser Zeit beendete er die Aufgabe des Sterblichen, die darin besteht, die Kreise intellektuellen Verstehens und persönlicher Beherrschung zu bewältigen. Während dieser Zeit des Verkehrs mit seinem himmlischen Vater schloss auch der innewohnende Justierer die ihm übertragenen Dienste ab. Das sterbliche Ziel dieses irdischen Geschöpfes war damit erreicht. Es galt jetzt nur noch, die abschließende Phase der Harmoni­sierung von Verstand und Justierer zu vollbringen.

134:8.5

Nach über fünfwöchiger ununterbrochener Verbindung mit seinem Paradies-Vater gelangte Jesus zu absoluter Gewissheit hinsichtlich seiner Natur und seines sicheren Triumphs über die materiellen Ebenen der zeit- und raumgebundenen Persönlichkeitsmanifestation. Er glaubte zutiefst an die Herrschaft seiner göttlichen Natur über seine menschliche Natur und zögerte nicht, diesen Anspruch geltend zu machen.

134:8.6

Kurz vor dem Ende seines Aufenthaltes auf dem Berg bat Jesus seinen Vater um die Erlaubnis, als der Menschensohn, als Josua ben Joseph mit seinen Feinden von Satania eine Zusammenkunft zu haben. Diesem Ersuchen wurde entsprochen. Die große Versuchung, die Prüfung von universeller Tragweite, fand in der letzten Woche auf dem Berg Hermon statt. Satan (als Vertreter Luzifers) und der rebellische planetarische Fürst Caligastia hielten sich in Jesu Gegenwart auf und wurden ihm gänzlich sichtbar gemacht. Aber diese „Versuchung“, diese abschließende Prüfung menschlicher Loyalität angesichts der Verdrehungen rebellischer Persönlichkeiten hatte weder etwas mit Nahrung, noch mit Tempelzinnen oder anmaßenden Handlungen zu tun. Sie hatte nichts mit den Reichen dieser Welt zu tun, wohl aber mit der Souveränität eines mächtigen und glorreichen Universums. Der Symbolismus eurer Schriften wandte sich an die kindliche Denkweise der rückständigen Zeiten der Welt. Aber spätere Generationen sollten verstehen, welch gewaltigen Kampf der Menschensohn an jenem denkwürdigen Tag auf dem Berg Hermon durchstand.

134:8.7

Auf die vielen Vorschläge und Gegenvorschläge der Abgesandten Luzifers hatte Jesus nur eine Antwort: „Möge der Wille meines Vaters im Paradies siegen, und mögen die Ältesten der Tage dich, meinen rebellischen Sohn, nach göttlichem Recht richten. Ich bin dein Schöpfer-Vater; ich kann kaum gerecht über dich urteilen, und meine Milde hast du bereits verschmäht. Ich übergebe dich den Richtern eines g­rößeren Universums zur Aburteilung.“

134:8.8

Zu den von Luzifer eingeflüsterten Kompromissen und Auswegen, zu all den trügerischen Vorschlägen bezüglich der Selbsthingabe in Menschengestalt gab Jesus nur zur Antwort: „Der Wille meines Vaters im Paradies geschehe.“ Und als die schwere Prüfung vorüber war, kehrte der abbeorderte Schutzengel an Jesu Seite zurück und stärkte ihn.

134:8.9

An einem Spätsommernachmittag, von Bäumen umstanden in der schweigenden Natur, gewann Michael von Nebadon die unbestrittene Souveränität über sein Universum. An diesem Tag vollendete er die den Schöpfersöhnen gestellte Aufgabe, auf den evolutionären Welten von Zeit und Raum ein vollwertiges inkarniertes Leben in Menschengestalt zu leben. Diese bedeutende Leistung wurde zwar im Universum erst am Tag seiner Taufe, Monate später, bekannt gegeben, aber geschah wirklich an jenem Tag auf dem Berg. Als Jesus von seinem Aufenthalt auf dem Berg Hermon herunterkam, waren Luzifers Rebellion in Satania und der Abfall Caligastias auf Urantia praktisch beigelegt. Jesus hatte den letzen von ihm verlangten Preis bezahlt, um seine Universums-Souveränität zu gewinnen. Diese enthält in sich die Regelung der Stellung aller Rebellen und bestimmt, dass mit jeder derartigen künftigen Erhebung (sollte sie sich je ereignen) summarisch und wirksam verfahren werden kann. Daraus ersieht man, dass die sogenannte „große Versuchung“ Jesu einige Zeit vor seiner Taufe, und nicht gleich danach, stattfand.

134:8.10

Als Jesus am Ende seines Aufenthaltes den Berg hinunterstieg, traf er auf Tiglath, der mit Lebensmitteln unterwegs zum Treffpunkt war. Er hieß ihn umkehren und sagte bloß: „Die Zeit der Ruhe ist vorüber; ich muss zu den Angelegenheiten meines Vaters zurückkehren.“ Er war ein schweigsamer und sehr veränderter Mann während ihrer Rückkehr nach Dan, wo er dem Burschen zum Abschied den Esel schenkte. Er ging dann auf demselben Weg, den er gekommen, südwärts weiter nach Kapernaum.


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