Jesus verbrachte sein ganzes neunundzwanzigstes Jahr mit der Rundreise durch die Welt des Mittelmeers. Soweit wir die Erlaubnis zur Enthüllung seiner Erlebnisse haben, bilden die wichtigsten Ereignisse dieser Reise den Inhalt der Berichte, die dieser Schrift unmittelbar folgen.
Während dieser Reise durch die römische Welt war Jesus aus verschiedenen Gründen als der Schreiber von Damaskus bekannt. In Korinth und bei anderen Halten auf der Rückreise nannte man ihn indessen den jüdischen Privatlehrer.
Das war eine ereignisreiche Zeit im Leben Jesu. Auch wenn er auf dieser Reise viele Kontakte mit seinen Mitmenschen hatte, blieb diese Erfahrung in seinem Leben doch ein Abschnitt, den er weder irgendeinem Familienmitglied noch irgendeinem Apostel entdeckte. Jesus beendete sein irdisches Leben und verließ diese Welt, ohne dass irgendjemand (mit Ausnahme des Zebedäus von Bethsaida) etwas davon wusste, dass er diese ausgedehnte Reise unternommen hatte. Einige seiner Freunde dachten, er sei nach Damaskus zurückgekehrt; andere dachten, er sei nach Indien gegangen. Seine eigene Familie neigte zur Annahme, er befinde sich in Alexandria, da sie wusste, dass er früher einmal dorthin eingeladen worden war, um Stellvertreter des Chazans zu werden.
Als Jesus nach Palästina zurückkehrte, unternahm er nichts, um seine Familie von der Meinung abzubringen, er sei von Jerusalem nach Alexandria gegangen; er ließ sie weiterhin im Glauben, er habe die ganze Zeit seiner Abwesenheit von Palästina in dieser Stadt der Gelehrsamkeit und Kultur zugebracht. Nur Zebedäus, der Bootsbauer von Bethsaida, kannte die Wahrheit in dieser Angelegenheit, aber er sprach mit niemandem darüber.
Bei all euren Bemühungen, euch über die Bedeutung des Lebens Jesu auf Urantia klar zu werden, müsst ihr euch der Beweggründe für die Selbsthingabe Michaels bewusst bleiben. Wenn ihr den Sinn vieler seiner scheinbar seltsamen Handlungen verstehen möchtet, müsst ihr euch das Ziel seines Aufenthaltes auf eurer Welt vergegenwärtigen. Mit Bedacht sorgte er dafür, keinen überattraktiven und alle Aufmerksamkeit auf sich lenkenden persönlichen Lebensweg aufzubauen. Er wollte keine ungewöhnlichen oder überwältigenden Appelle an seine Mitmenschen richten. Er weihte sich dem Werk, seinen Mitmenschen den himmlischen Vater zu offenbaren, und gab sich zugleich ganz der erhabenen Aufgabe hin, sein sterbliches irdisches Dasein ständig in Unterwerfung unter den Willen desselben Paradies-Vaters zu leben.
Um Jesu Leben auf Erden zu verstehen, wird es auch immer hilfreich sein, wenn sich alle Sterblichen, die seine göttliche Selbsthingabe studieren, daran erinnern, dass er das inkarnierte Leben, das er auf Urantia lebte, für sein gesamtes Universum lebte. Für jeden einzelnen bewohnten Planeten im ganzen Universum von Nebadon gab es etwas Besonderes und Inspirierendes im Zusammenhang mit dem Leben, das er als Sterblicher lebte. Dasselbe gilt auch für all jene Welten, die seit den bewegten Zeiten seines Aufenthaltes auf Urantia bewohnbar geworden sind. Und es wird ebenso wahr sein für alle Welten, die in der ganzen zukünftigen Geschichte dieses Lokaluniversums möglicherweise von willensbegabten Geschöpfen bewohnt sein werden.
Mit Hilfe der auf seiner Reise durch die römische Welt gesammelten Erfahrungen vollendete der Menschensohn praktisch seine Bildung und Schulung im Kontakt mit den verschiedenartigen Völkern der Welt seiner Tage und Generation. Bis zu seiner Rückkehr nach Nazareth hatte er dank dieser Reiseschulung so ziemlich erfahren, wie die Menschen auf Urantia lebten und mit ihren Existenzproblemen fertig wurden.
Das wahre Ziel seiner Reise rund um das Mittelmeerbecken war, die Menschen kennen zu lernen. Er kam während der Reise mit Hunderten von Menschen in sehr engen Kontakt. Er traf und liebte alle Arten von Menschen, reiche und arme, hohe und niedrige, schwarze und weiße, gebildete und ungebildete, kultivierte und unkultivierte, sinnliche und vergeistigte, religiöse und irreligiöse, sittliche und unsittliche.
Auf dieser Mittelmeerreise kam Jesus in seiner menschlichen Aufgabe rasch damit voran, seinen materiellen menschlichen Verstand zu meistern, und sein ihm innewohnender Gedankenjustierer machte große Fortschritte bei der Höherentwicklung und geistigen Eroberung dieses nämlichen menschlichen Intellekts. Am Ende der Reise wusste Jesus praktisch – mit aller menschlichen Gewissheit –, dass er ein Gottessohn, ein Schöpfersohn des Universalen Vaters war. Dem Justierer gelang es immer besser, ins Bewusstsein des Menschensohns schattenhafte Erinnerungen an seine Erfahrungen der Verbundenheit mit seinem göttlichen Vater im Paradies treten zu lassen, lange bevor er auszog, das Lokaluniversum von Nebadon zu organisieren und zu verwalten. Auf diese Weise brachte der Justierer notwendige Erinnerungen an seine frühere göttliche Existenz in den verschiedenen Epochen einer beinah ewigen Vergangenheit nach und nach ins menschliche Bewusstsein Jesu zurück. Die letzte Episode seiner vormenschlichen Existenz, welche der Justierer in ihm wachrief, war seine Abschiedsunterredung mit Immanuel von Salvington, gerade bevor er sein persönliches Bewusstsein aufgab, um mit seiner Inkarnation auf Urantia zu beginnen. Und dieses abschließende Erinnerungsbild vormenschlicher Existenz trat am Tage seiner Taufe im Jordan durch Johannes klar in Jesu Bewusstsein.