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Die frühe Kindheit Jesu

Zurück in Nazareth  •  Das fünfte Jahr (2 v. Chr.)  •  Ereignisse des sechsten Jahres (1 v. Chr.)  •  Das siebente Jahr (1 n. Chr.)  •  Schulzeit in Nazareth  •  Sein achtes Jahr (2 n. Chr.)

WEGEN der Ungewissheiten und Befürchtungen, die mit dem Auf­enthalt in Betlehem verbunden waren, entwöhnte Maria den Säugling nicht eher, als bis die Familie sicher in Alexandria angekom­men war, wo sie wieder ein normales Leben führen konnten. Sie wohnten bei Verwandten, und Joseph, der kurz nach ihrer Ankunft Arbeit gefunden hatte, war gut in der Lage, für seine Familie zu sorgen. Er war einige Monate lang als Zimmermann angestellt und stieg dann zum Vorarbeiter einer großen Gruppe von Werktätigen auf, die bei einem der damals im Bau befindlichen öffentlichen Gebäude beschäftigt waren. Diese neue Erfahrung brachte ihn auf die Idee, nach ihrer Rückkehr nach Nazareth Unternehmer und Bauherr zu werden.

123:0.2

Während all der frühen Jahre der hilflosen Kindheit Jesu befand sich Maria in einem andauernden Zustand erhöhter Wachsamkeit, dass ihrem Kinde nichts zustoße, was sein Wohlergehen hätte gefährden oder in irgendeiner Weise seine künftige Sendung auf Erden hätte beeinträchtigen können. Nie hatte es eine hingebungsvollere Mutter gegeben. Mit Jesus zusammen im selben Hause lebten noch zwei andere Kinder ungefähr seines Alters, und unter den nächsten Nachbarn gab es sechs weitere Kinder, die ihm altersmäßig nahe genug standen, um ihm gute Spielgefährten zu sein. Zuerst neigte Maria dazu, Jesus ganz in ihrer Nähe zu behalten. Sie befürchtete, es könnte ihm etwas zustoßen, wenn ihm erlaubt würde, mit den anderen Kindern im Garten zu spielen, aber Joseph, unterstützt von seinen Verwandten, vermochte sie zu überzeugen, dass eine solche Verhaltensweise Jesus der nützlichen Erfahrung berauben würde, sich Kindern seines eigenen Alters anpassen zu lernen. Maria sah ein, dass ein solches Programm übertriebener Abschirmung und ungewöhnlicher Beschützung leicht dazu führen könnte, ihn zu selbstbewusst und ein wenig ichbezogen zu machen, und sie willigte schließlich in den Plan ein, das Kind der Verheißung genau wie jedes andere Kind aufwachsen zu lassen; und obgleich sie sich an diese Entscheidung hielt, machte sie es sich zur Aufgabe, immer wachsam zu sein, während die kleinen Leute im Hause oder im Garten spielten. Nur eine liebende Mutter kann ermessen, welche Sorge um die Sicherheit ihres Sohnes während der Jahre seiner Säuglingszeit und frühen Kindheit auf Marias Herzen lastete.

123:0.3

In den zwei Jahren ihres Aufenthaltes in Alexandria erfreute sich Jesus guter Gesundheit und wuchs weiterhin normal auf. Außer einigen Freunden und Verwandten erfuhr niemand, dass Jesus ein „Kind der Verheißung“ war. Eine Verwandte Josephs enthüllte es einigen Freunden in Memphis, Abkömmlingen des fernen Echnaton. Diese versammelten sich mit einer kleinen Schar von Gläubigen aus Alexandria in dem palastartigen Heim des Verwandten und Wohltäters Josephs kurz vor der Rückkehr nach Palästina, um der Familie aus Nazareth alles Gute zu wünschen und dem Kind ihre Aufwartung zu machen. Bei dieser Gelegenheit schenkten die versammelten Freunde Jesus eine vollständige Abschrift der griechischen Übersetzung der hebräischen Schriften. Aber diese Abschrift der jüdischen Schriften wurde Joseph erst ausgehändigt, nachdem er und Maria schließlich die Einladung ihrer Freunde aus Memphis und Alexandria, in Ägypten zu bleiben, abgelehnt hatten. Diese Gläubigen behaupteten beharrlich, dass das Kind der Vorsehung als Bewohner von Alexandria in der Lage wäre, einen weit größeren Einfluss auf die Welt auszuüben, als von irgendeinem bestimmten Ort in Palästina aus. Diese Überredungsbemühungen schoben ihre Abreise nach Palästina noch eine Zeit lang, nachdem sie die Nachricht vom Tode des Herodes erhalten hatten, hinaus.

123:0.4

Joseph und Maria verließen Alexandria schließlich auf einem ihrem Freunde Ezraeon gehörigen Schiff mit Ziel Jaffa und langten in diesem Hafen Ende August 4 v. Chr. an. Sie begaben sich geradewegs nach Betlehem und verbrach­ten dort den ganzen Monat September mit ihren Freunden und Verwand­ten in Beratungen darüber, ob sie dort bleiben oder nach Nazareth zurückkehren sollten.

123:0.5

Maria hatte die Idee nie ganz aufgegeben, dass Jesus in Betlehem, der Stadt Davids, aufwachsen sollte. Joseph glaubte nicht wirklich daran, dass ihr Sohn zum königlichen Befreier Israels bestimmt sei. Im Übrigen wusste er, dass er selbst kein richtiger Abkömmling Davids war; dass er nur durch die Adoption eines seiner Vorfahren in die davidische Linie zu dessen Nachkommen gezählt wurde. Maria hielt natürlich die Stadt Davids für den passendsten Ort, um den neuen Anwärter auf Davids Thron aufzuziehen. Joseph hingegen zog vor, es eher mit Herodes Antipas als mit dessen Bruder Archelaus zu riskieren. Er fürchtete sehr für des Kindes Sicherheit in Betlehem oder irgendeiner anderen Stadt Judäas und vermutete, dass Archelaus eher die drohende Politik seines Vaters Herodes fortsetzen würde als Antipas in Galiläa. Abgesehen von all diesen Gründen gab Joseph Galiläa eindeutig den Vorzug als dem Ort, den er für die Erziehung und Ausbildung des Kindes besser geeignet hielt. Aber drei Wochen waren nötig, um Marias Einwände zu überwinden.

123:0.6

Bis zum ersten Oktober hatte Joseph Maria und all ihre Freunde überzeugt, dass es das Beste für sie wäre, nach Nazareth zurückzukehren. Folglich verließen sie Anfang Oktober 4 v. Chr. Betlehem und gingen über Lydda und Skythopolis nach Nazareth. Sie brachen früh an einem Sonntagmorgen auf. Maria ritt mit dem Kind auf ihrem neu erstandenen Lasttier, während Joseph und fünf Begleiter aus der Verwandtschaft zu Fuß mitgingen; Josephs Verwandte hatten sich geweigert, sie allein nach Nazareth ziehen zu lassen. Sie fürchteten sich davor, über Jerusalem und das Jordantal nach Galiläa zu gehen, und die Wege im We­sten waren für zwei einzelne Reisende mit einem Kind im zarten Alter nicht allzu sicher.


 
 
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Das Urantia Buch