◄ 121:4
Schrift 121
121:6 ►

Die Epoche der Selbsthingabe Michaels

5. Die Religionen der Heiden

121:5.1

Während der früheren Zeitalter war die Religion vor allem Sache des Stammes oder der Nation gewesen und nur in seltenen Fällen eine individuelle Angelegenheit. Die Götter waren Stammes- und Nationalgötter, keine persönlichen Götter. Solche religiösen Systeme gewährten der individuellen geistigen Sehnsucht des Durchschnittsmenschen nur geringe Befriedigung.

121:5.2

Zu Jesu Zeiten umfassten die Religionen des Abendlandes:

121:5.3

1. Die heidnischen Kulte. Sie stellten ein Gemisch aus Mythologie, Patriotismus und Tradition der hellenischen und lateinischen Völker dar.

121:5.4

2. Der Kaiserkult. Diese Vergöttlichung des Menschen als Symbol für den Staat kränkte die Juden und die ersten Christen zutiefst und führte geradewegs zu den erbitterten Verfolgungen beider Kirchen durch die römische Regierung.

121:5.5

3. Die Astrologie. Diese Pseudo-Wissenschaft Babyloniens entwickelte sich zu einer Religion im ganzen griechisch-römischen Imperium. Selbst im 20. Jahrhundert ist der Mensch von diesem Aberglauben nicht ganz befreit.

121:5.6

4. Die Religionen der Mysterien. Über diese geistig hungernde Welt war eine Flut von Mysterienkulten hereingebrochen, neuer und seltsamer, aus der Levante stammender Religionen, welche die einfachen Leute bezauberten und ihnen individuelle Erlösung versprachen. Diese Religionen wurden von den niedrigeren Klassen der griechisch-römischen Welt bald als Glaube angenommen. Sie taten viel, um der raschen Ausbreitung der weit überlegenen, christlichen Lehren den Weg zu bereiten, jener Lehren, die ein majestätisches Gottheitskonzept vermittelten, verbunden mit einer fesselnden Theologie für die Intelligenten und einem tiefgründigen Heilsangebot für alle, einschließlich der unwissenden, aber geistig hungrigen Durchschnittsmenschen jener Tage.

121:5.7

Die Mysterienreligionen führten das Ende des national gebundenen Glaubens herbei und hatten die Entstehung zahlreicher persönlicher Kulte zur Folge. Es gab viele Mysterien, aber allen war Folgendes gemein:

121:5.8

1. Irgendeine mythische Legende, ein Mysterium – daher ihr Name. In der Regel bezog sich dieses Mysterium auf die Geschichte vom Leben und Sterben und der Rückkehr zum Leben irgendeines Gottes, wie aus den Lehren des Mithraskultes ersichtlich, der eine Weile neben dem wachsenden Kult des paulinischen Christentums bestand und mit ihm wetteiferte.

121:5.9

2. Die Mysterien waren weder an eine Nation, noch an eine Rasse gebunden. Sie waren persönlich und brüderlich und bewirkten das Entstehen religiöser Bruderschaften und zahlreicher Splittergesellschaften.

121:5.10

3. Merkmal ihrer Gottesdienste waren bis ins Einzelne durchdachte Einweihungszeremonien und beeindruckende Kulthandlungen. Ihre geheimen Riten und Rituale waren manchmal grauenerregend und abstoßend.

121:5.11

4. Aber ungeachtet der Natur ihrer Zeremonien oder des Grades ihrer Auswüchse versprachen diese Mysterien ihren Anhängern ausnahmslos Rettung, „Erlösung vom Bösen, Fortleben nach dem Tode und dauerndes Leben in glücklichen Gefilden jenseits dieser Welt der Trübsal und Sklaverei“.

121:5.12

Begeht aber nicht den Fehler, die Lehren Jesu mit den Mysterien zu verwechseln. Die Beliebtheit der Mysterien offenbart des Menschen Verlangen nach dem Fortleben und zeigt seinen wahren Hunger und Durst nach persönlicher Religion und individueller Rechtschaffenheit. Obwohl die Mysterien dieses Verlangen nicht angemessen zu stillen vermochten, waren sie doch wegbereitend für das spätere Auftreten Jesu, der dieser Welt wahrlich das Brot und das Wasser des Lebens brachte.

121:5.13

Im Bestreben, die weit verbreitete Zugehörigkeit zu den besseren der Mysterienreligionen zu nutzen, nahm Paulus an den Lehren Jesu gewisse Anpassungen vor, um sie einer größeren Zahl möglicher Konvertiten annehmbar zu machen. Aber selbst dieser Kompromiss des Paulus mit den Lehren Jesu (Christentum) war dem Besten in den Mysterien in Folgendem überlegen:

121:5.14

1. Paulus lehrte eine sittliche Erlösung, eine ethische Errettung. Das Christentum wies auf ein neues Leben hin und verkündete ein neues Ideal. Paulus gab die magischen Riten und den Zauber der Zeremonien auf.

121:5.15

2. Das Christentum bot eine Religion an, welche sich mit den endgültigen Lösungen des menschlichen Problems befasste, da es nicht nur Erlösung von Leid und sogar Tod, sondern auch Befreiung von Sünde versprach, gefolgt vom Geschenk eines aufrechten, zu ewigem Leben befähigenden Charakters.

121:5.16

3. Die Mysterien waren auf Mythen aufgebaut. Das Christentum, wie Paulus es predigte, gründete auf einer historischen Tatsache: auf der Selbst­hin­gabe Michaels, des Gottessohnes, an die Menschheit.

121:5.17

Unter den Heiden bestand nicht notwendigerweise eine Beziehung zwischen Sittlichkeit und Philosophie oder Religion. Außerhalb Palästinas war es für die Leute nicht immer selbstverständlich, dass der Priester einer Religion auch ein sittliches Leben zu führen hatte. Die jüdische Religion, dann Jesu Lehren und später das sich entwickelnde Christentum des Paulus waren die ersten europäischen Religionen, die eine Verbindung zu Sittlichkeit einerseits und Ethik andererseits herstellten und darauf bestanden, dass die Gläubigen ihr Augenmerk auf alle beide lenkten.

121:5.18

In eine solche menschliche Generation, beherrscht von so unvollkom­menen philosophischen Systemen und verwirrt durch so undurchschaubare Religions­kulte, wurde in Palästina Jesus hineingeboren. Und dieser selben Gene­ra­tion schenkte er später sein Evangelium persönlicher Religion – das Evangelium der Sohnesbeziehung zu Gott.


◄ 121:4
 
121:6 ►