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Machiventa Melchisedek

9. Nach Melchisedeks Weggang

93:9.1

Das plötzliche Verschwinden Melchisedeks war für Abraham eine große Prüfung. Obwohl Machiventa seine Anhänger sehr deutlich vorgewarnt hatte, dass er eines Tages werde gehen müssen, wie er gekommen sei, kamen sie über den Verlust ihres wunderbaren Führers nicht hinweg. Die große in Salem aufgebaute Organisation verschwand nahezu, obwohl es die Überlieferungen dieser Tage waren, auf die sich Moses stützte, als er die hebräischen Sklaven aus Ägypten hinausführte.

93:9.2

Der Verlust Melchisedeks rief in Abrahams Herzen eine Traurigkeit hervor, die er nie ganz überwand. Er hatte Hebron verlassen, als er den Ehrgeiz, ein materielles Königreich zu errichten, aufgegeben hatte; und jetzt, nach dem Verlust seines Mitarbeiters bei dem Bau des geistigen Königreichs, verließ er Salem und zog nach Süden, um in Gerar in der Nähe seiner Besitzungen zu leben.

93:9.3

Unmittelbar nach dem Verschwinden Melchisedeks wurde Abraham furchtsam und scheu. Als er in Gerar ankam, verheimlichte er seine Identität, so dass Abimelech sich seine Gattin aneignete. (Kurz nach seiner Heirat mit Sarah hatte Abraham eines Nachts Komplizen belauscht, die ihn umbringen wollten, um sich seiner strahlenden Gattin zu bemächtigen. Diese Drohung verfolgte den im Übrigen tapferen und wagemutigen Anführer zeitlebens; stets befürchtete er, jemand könnte ihn heimlich beseitigen, um in Sarahs Besitz zu gelangen. Und das erklärt, weshalb dieser tapfere Mann sich bei drei verschiedenen Gelegenheiten richtiggehend feige verhielt.)

93:9.4

Aber Abraham ließ sich nicht lange von seiner Mission als Nachfolger Melchisedeks abhalten. Bald gelang es ihm, unter den Philistern und im Volk Abimelechs Einzelne zu bekehren und mit ihnen ein Abkommen zu schließen. Im Gegenzug wurde er von vielen ihrer abergläubischen Vorstellungen infiziert, insbesondere von ihrem Brauch, die erstgeborenen Söhne zu opfern. So wurde Abraham wieder zu einem großen Führer in Palästina. Er genoss die Hochachtung aller Gruppen, und alle Könige ehrten ihn. Er war der geistige Führer aller Stämme in der Umgebung, und sein Einfluss wirkte noch einige Zeit nach seinem Tode weiter. Während seiner letzten Lebensjahre kehrte er einmal mehr nach Hebron zurück, dem Schauplatz seiner früheren Aktivitäten und dem Ort, wo er mit Melchisedek zusammengearbeitet hatte. Abrahams letzter Akt war, vertrauenswürdige Diener nach Nahor, der Stadt seines Bruders an der Grenze zu Mesopotamien zu schicken, um für seinen Sohn Isaak eine Frau aus seiner eigenen Familie als Gattin heimzuholen. Es war in Abrahams Familie seit langem Sitte gewesen, unter Cousins zu heiraten. Und Abraham starb vertrauensvoll im Glauben an Gott, den Melchisedek ihn in Salems verschwundenen Schulen gelehrt hatte.

93:9.5

Es fiel der nächsten Generation schwer, die Geschichte Melchisedeks zu verstehen; fünfhundert Jahre später sahen viele die ganze Erzählung als einen Mythos an. Isaak hielt sich ziemlich genau an die Lehren seines Vaters und pflegte das Evangelium der Kolonie von Salem, aber Jakob fiel es schon schwerer, die Bedeutung des Überlieferten zu erfassen. Joseph glaubte fest an Melchisedek und wurde hauptsächlich deswegen von seinen Brüdern für einen Träumer gehalten. Die Joseph in Ägypten erwiesene Ehre war in erster Linie dem Gedenken an seinen Urgroßvater Abraham zu verdanken. Joseph wurde der Oberbefehl über die ägyptischen Armeen angetragen, aber da er so fest an das von Melchisedek Überlieferte und an die späteren Lehren Abrahams und Isaaks glaubte, entschied er sich für den Dienst als ziviler Verwalter; er glaubte, auf diese Weise mehr für die Förderung des himmlischen Königreichs tun zu können.

93:9.6

Melchisedeks Lehre war voll und überreich, aber das aus diesen Tagen Erinnerte erschien den späteren hebräischen Priestern unmöglich und fantastisch, obwohl viele von ihnen diese Vorgänge einigermaßen verstanden, wenigstens bis zu der Zeit, als in Babylon die Schriften des Alten Testaments als Ganzes überarbeitet wurden.

93:9.7

Was die alttestamentlichen Schriften als Gespräche zwischen Abraham und Gott beschreiben, waren in Wirklichkeit Besprechungen zwischen Abraham und Melchisedek. Spätere Schriftgelehrte sahen den Ausdruck Melchisedek als ein Synonym für Gott an. Die Beschreibung so vieler Kontakte Abrahams und Sarahs mit „dem Engel des Herrn“ bezieht sich auf ihre zahlreichen Gespräche mit Melchisedek.

93:9.8

Die hebräischen Mitteilungen über Isaak, Jakob und Joseph sind viel zuverlässiger als jene über Abraham, obwohl auch sie viele Abweichungen von den Tatsachen enthalten, absichtliche und unabsichtliche Änderungen, die zur Zeit der Zusammenstellung dieser Schriften durch die hebräischen Priester in der babylonischen Gefangenschaft vorgenommen wurden. Keturah war keine Gattin Abrahams; wie Hagar war auch sie nur eine Konkubine. Der gesamte Besitz Abrahams ging an Isaak, den Sohn Sarahs, der Statusfrau. Abraham war nicht so alt, wie die Schriften angeben, und seine Frau war viel jünger. Beider Alter wurde vorsätzlich verändert, um die angeblich mirakulöse Geburt Isaaks zu untermauern.

93:9.9

Das nationale Ego der Juden litt furchtbar unter der babylonischen Gefangenschaft. In ihrer Reaktion gegen nationale Unterlegenheit verfielen sie in das andere Extrem nationaler und rassischer Selbstüberhebung, in der sie ihre Überlieferungen verzerrten und verfälschten, um sich als das auserwählte Volk Gottes über alle Rassen zu erheben; demzufolge überarbeiteten sie ihre sämtlichen Schriften sorgfältig mit dem Ziel, Abraham und ihre anderen nationalen Führer hoch über alle anderen Personen zu stellen und nahmen davon nicht einmal Melchisedek aus. Deshalb zerstörten die hebräischen Schriftgelehrten alle Berichte über diese denkwürdigen Zeiten, die sie finden konnten, und bewahrten nur die Erzählung der nach der Schlacht von Siddim erfolgten Begegnung Abrahams mit Melchisedek, von der sie dachten, sie gereiche Abraham zu großer Ehre.

93:9.10

Und indem sie Melchisedek aus den Augen verloren, verloren sie auch die Lehre dieses Nothelfersohnes bezüglich der geistigen Sendung des versprochenen Sohnes der Selbsthingabe aus den Augen, verloren sie die Natur dieser Sendung so vollständig aus den Augen, dass nur sehr wenige von ihren Nachkommen fähig oder gewillt waren, Michael zu erkennen und zu empfangen, als dieser auf der Erde und in Menschengestalt erschien, wie Machiventa es vorausgesagt hatte.

93:9.11

Aber einer der Autoren des Briefs an die Hebräer begriff die Sendung Melchisedeks, denn es steht geschrieben: „Dieser Melchisedek, Priester des Aller­höchsten, war auch ein König des Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens, aber geschaffen wie ein Sohn Gottes, bleibt er auf immer ein Priester.“ Dieser Autor bezeichnet Melchisedek als einen von der Art des sich später hingebenden Michael, wenn er betont, dass Jesus „ein Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ war. Obwohl dieser Vergleich nicht ganz glücklich war, stimmte es doch buchstäblich, dass Christus den provisorischen Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias „auf Befehl der zwölf Melchisedek-Treuhänder“ empfing, die zur Zeit seiner Hingabe an die Welt Dienst taten.


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