◄ 93:4
Schrift 93
93:6 ►

Machiventa Melchisedek

5. Die Wahl Abrahams

93:5.1

Obgleich man wohl einen Irrtum begeht, von einem „auserwählten Volk“ zu sprechen, ist es kein Fehler, Abraham als einen auserwählten Einzelnen zu bezeichnen. Tatsächlich lud Melchisedek Abraham die Verantwortung auf, die Wahrheit eines einzigen Gottes im Gegensatz zu dem herrschenden Glauben an mehrfache Gottheiten lebendig zu erhalten.

93:5.2

Die Wahl Palästinas als Ort des Wirkens Melchisedeks gründete zum Teil auf dem Wunsch, mit einer menschlichen Familie Kontakt aufzunehmen, die über ein Führerpotential verfügte. Zu der Zeit der Inkarnation Melchisedeks gab es auf Erden viele Familien, die ebenso gute Voraussetzungen zum Empfang der Doktrin von Salem besaßen wie diejenige Abrahams. Es gab ebenso begabte Familien unter den roten und den gelben Menschen und unter den Nachkommen der Anditen im Westen und im Norden. Aber keines dieser Gebiete war für Michaels späteres Erscheinen auf Erden so günstig gelegen wie die Ostküste des Mittelmeers. Melchisedeks Sendung in Palästina und Michaels späteres Erscheinen unter dem hebräischen Volk wurden in nicht geringem Maße durch die Geographie bestimmt, durch die Tatsache der zentralen Lage Palästinas in Handel, Reiseverkehr und Zivilisation der damaligen Welt.

93:5.3

Seit geraumer Zeit hatten die Melchisedek-Treuhänder die Vorfahren Abrahams beobachtet, und vertrauensvoll erwarteten sie in einer bestimmten Gene­ration Nachkommen, die sich durch Intelligenz, Initiative, Scharfsinn und Ehrlich­keit auszeichnen würden. Die Kinder Terahs, des Vaters Abrahams, erfüllten diese Erwartungen in jeder Hinsicht. Die Möglichkeit eines Kontaktes mit den vielseitig begabten Kindern Terahs war ein gewichtiger Grund für das Erscheinen Machiventas zu Salem anstatt in Ägypten, China, Indien oder unter den nördlichen Stämmen.

93:5.4

Terah und seine ganze Familie bekehrten sich halbherzig zu der Religion von Salem, die in Chaldäa gepredigt worden war; sie hörten von Melchisedek durch die Predigt Ovids, eines phönizischen Lehrers, der die Lehren von Salem in Ur verkündete. Sie verließen Ur in der Absicht, sich direkt nach Salem zu begeben, aber Nahor, Abrahams Bruder, der Melchisedek nie gesehen hatte, zeigte wenig Eifer und überzeugte sie, in Haran zu verweilen. Und nachdem sie in Palästina angelangt waren, dauerte es noch lange, bevor sie gewillt waren, alle Götter, die sie mit sich gebracht hatten, zu zerstören; nur sehr langsam gaben sie die vielen Götter Mesopotamiens für den einen Gott von Salem auf.

93:5.5

Wenige Wochen nach Terahs, Abrahams Vaters, Tod schickte Melchisedek einen seiner Studenten, Jaram den Hethiter, mit folgender Einladung zu Abraham und Nahor: „Kommt nach Salem, wo ihr unsere Lehren über die Wahrheit des ewigen Schöpfers vernehmen werdet, und in den erleuchteten Nachkommen von euch zwei Brüdern soll die ganze Welt gesegnet sein.“ Nun verhielt es sich so, dass Nahor das Evangelium Melchisedeks nicht ganz angenommen hatte; er blieb zurück und baute einen starken Stadtstaat auf, der seinen Namen trug; aber Lot, Abrahams Neffe, beschloss, mit seinem Onkel nach Salem zu ziehen.

93:5.6

Nach ihrer Ankunft in Salem wählten Abraham und Lot eine nahe der Stadt gelegene Hügelfestung zu ihrem Aufenthaltsort, wo sie sich gegen die vielen überraschenden Einfälle von Angreifern aus dem Norden verteidigen konnten. Zu dieser Zeit fielen Hethiter, Assyrer, Philister und andere Gruppen ständig über die Stämme Zentral- und Südpalästinas her. Von ihrer Festung auf der Anhöhe aus unternahmen Abraham und Lot häufige Pilgergänge nach Salem.

93:5.7

Nicht lange nachdem sie sich bei Salem niedergelassen hatten, reisten Abraham und Lot ins Niltal, um sich Lebensmittel zu beschaffen, da damals in Palästina eine Dürre herrschte. Während dieses kurzen Aufenthaltes in Ägypten fand Abraham auf dessen Thron einen entfernten Verwandten, und er diente diesem König als Befehlshaber in zwei sehr erfolgreichen Militärexpeditionen. Während des letzten Teils seines Aufenthaltes am Nil lebten er und seine Frau Sarah am Hof, und als er Ägypten verließ, erhielt er als Geschenk einen Teil der Kriegsbeute seiner Feldzüge.

93:5.8

Es kostete Abraham große Selbstüberwindung, auf die Ehren des ägyptischen Hofes zu verzichten und zu dem geistigeren Werk zurückzukehren, dem Melchisedek vorstand. Aber Melchisedek wurde sogar in Ägypten verehrt, und als man dem Pharao die ganze Geschichte darlegte, drang er in Abraham, doch zurückzukehren und an die Ausführung seiner gegenüber der Sache Salems gemachten Versprechen zu gehen.

93:5.9

Abraham hatte königliche Ambitionen, und auf seinem Rückweg aus Ägypten unterbreitete er Lot seinen Plan, ganz Kanaan zu unterwerfen und seine Bewohner unter die Herrschaft von Salem zu bringen. Lots Neigungen waren eher geschäftlicher Natur; so begab er sich nach einer anschließenden Meinungsverschiedenheit nach Sodom, um sich mit Handel und Viehwirtschaft zu befassen. Lot liebte weder das Kriegshandwerk noch das Hirtenleben.

93:5.10

Nachdem Abraham mit seiner Familie nach Salem zurückgekehrt war, begann er, seine Militärprojekte voranzutreiben. Er wurde bald als ziviler Gebieter über die Gegend von Salem anerkannt, und in Kürze hatte er sieben nahe Stämme unter seiner Führung zu einem Bund zusammengeschlossen. Nur mit größter Mühe konnte Melchisedek Abraham zurückhalten, der mit Feuereifer ausziehen wollte, die Nachbarstämme durch das Schwert zusammenzutreiben, damit sie die Wahrheiten Salems umso rascher kennenlernten.

93:5.11

Melchisedek unterhielt zu allen Stämmen der Umgebung friedliche Beziehungen; er war nicht militaristisch gesinnt und wurde nie von einer der sich vor- und rückwärts bewegenden Armeen angegriffen. Er war durchaus damit einverstanden, dass Abraham für Salem eine Verteidigungspolitik ersann, wie sie dann später auch in Kraft trat, aber die ehrgeizigen Eroberungspläne seines Schülers billigte er nicht; so gingen denn ihre Beziehungen im Frieden zu Ende, und Abraham zog nach Hebron, um dort seinen militärischen Hauptsitz zu errichten.

93:5.12

Wegen seiner engen Beziehung zu dem berühmten Melchisedek besaß Abraham einen großen Vorteil über die kleinen Könige der Umgebung; alle verehrten Melchisedek und fürchteten sich übermäßig vor Abraham. Abraham wusste um diese Furcht und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um seine Nachbarn anzugreifen, und dieser Vorwand fand sich, als sich einige dieser Herrscher anmaßten, in das Grundstück seines Neffen Lot, der in Sodom wohnte, einzufallen. Als er davon erfuhr, zog Abraham an der Spitze seiner sieben konföderierten Stämme gegen den Feind los. Seine eigene dreihundertachtzehnköpfige Leibgarde befehligte die mehr als viertausend Mann starke Armee, die nun zum Angriff überging.

93:5.13

Als Melchisedek von Abrahams Kriegserklärung hörte, machte er sich auf, um ihn davon abzuhalten. Aber er holte seinen ehemaligen Schüler erst ein, als dieser siegreich von der Schlacht zurückkehrte. Abraham pochte darauf, dass der Gott von Salem ihm den Sieg über seine Feinde gegeben habe, und bestand darauf, dem Schatzhaus Salems ein Zehntel seiner Beute zu schenken. Die übrigen neunzig Prozent überführte er an seinen Hauptsitz in Hebron.

93:5.14

Nach dieser Schlacht bei Siddim wurde Abraham der Führer einer zweiten Konföderation von elf Stämmen, und er begnügte sich nicht damit, Melchisedek den Zehnten zu bezahlen, sondern sah zu, dass auch alle anderen in der Nachbarschaft desgleichen taten. Sein diplomatisches Verhalten gegenüber dem König von Sodom zusammen mit der Furcht, die er so allgemein einflößte, hatten zum Ergebnis, dass der König von Sodom und andere der militärischen Konföderation von Hebron beitraten; Abraham war wirklich auf dem besten Weg, in Palästina einen mächtigen Staat zu errichten.


◄ 93:4
 
93:6 ►