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Die spätere Evolution der Religion

1. Die evolutionäre Natur der Religion

92:1.1

Wir haben die Evolution der Religion von früher Furcht und Phantomkult über viele sukzessive Entwicklungsstadien einschließlich jener Bemühungen nachgezeichnet, zuerst die Geister zu zwingen und ihnen dann zu schmeicheln. Stammesfetische entwickelten sich zu Totems und Stammesgöttern; aus magischen Formeln wurden moderne Gebete. Die Beschneidung, zuerst ein Opfer, wurde zu einer hygienischen Maßnahme.

92:1.2

Die Religion schritt während der ganzen wilden Kindheit der Rassen von der Naturanbetung über den Phantomkult zum Fetischismus fort. Mit dem Erwachen der Zivilisation wandte sich die menschliche Rasse mystischeren und symbolischeren Glaubensvorstellungen zu, aber jetzt, mit nahender Reife, wächst die Menschheit langsam zur Würdigung wahrer Religion, sogar eines Beginns von Offenbarung der Wahrheit selber, heran.

92:1.3

Religion entsteht als eine biologische mentale Reaktion auf geistige Glaubens­vorstellungen und die Umwelt; sie ist in einer Rasse das Letzte, was untergeht oder sich ändert. Religion ist in jedem Zeitalter die Anpassung der Gesellschaft an das Geheimnisvolle. Als eine gesellschaftliche Institution umfasst sie Riten, Symbole, Kulte, Schriften, Altäre, Heiligtümer und Tempel. Heiliges Wasser, Reliquien, Fetische, Talismane, Ornat, Glocken, Trommeln und Priesterschaften sind allen Religionen gemeinsam. Und es ist unmöglich, aus reiner Evolution hervorgegangene Religion völlig von Magie oder Hexerei loszulösen.

92:1.4

Geheimnis und Macht haben stets die religiösen Gefühle und Ängste stimuliert, während Emotion bei deren Entwicklung immer als mächtiger, bestimmender Faktor wirkte. Furcht ist immer der grundlegende religiöse Stimulus gewesen. Furcht formt die Götter der evolutionären Religion und ist der Beweg­grund des religiösen Rituals der primitiven Gläubigen. Mit fortschrei­tender Zivilisation wird die Furcht durch Ehrerbietung, Bewunderung, Respekt und Sympathie umgestaltet und überdies durch Gewissensbisse und Reue geprägt.

92:1.5

Ein asiatisches Volk lehrte: „Gott ist eine große Furcht“; das ist ein natürliches Ergebnis rein evolutionärer Religion. Jesus, Offenbarung der höchsten Art religiösen Lebens, verkündete: „Gott ist Liebe“.


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