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Frühe Evolution der Religion

7. Die Funktion primitiver Religion

86:7.1

Der Primitive empfand die Notwendigkeit einer Versicherung, und er bezahlte deshalb willig seine drückenden Prämien aus Angst, Aberglauben, Bedrohung und Priestergeschenken für seine magische Versicherungspolice gegen Pech. Die primitive Religion war nichts anderes als die Bezahlung von Versicherungs­prämien gegen die Gefahren der Wälder; der zivilisierte Mensch bezahlt materielle Prämien, um sich gegen Industrieunfälle und die Risiken moderner Lebens­weisen abzusichern.

86:7.2

Die moderne Gesellschaft verlagert das Versicherungswesen aus dem Zustän­digkeitsbereich der Priester und der Religion in den wirtschaftlichen Sektor. Die Religion selber beschäftigt sich immer mehr mit der Lebensversicherung jenseits des Grabes. Die modernen Menschen, oder wenigstens die denkenden unter ihnen, bezahlen keine kostspieligen Prämien mehr, um sich das Glück gefügig zu machen. Langsam erhebt sich die Religion zu höheren philosophischen Ebenen im Gegensatz zu ihrer früheren Rolle als Versicherungssystem gegen Pech.

86:7.3

Aber diese alten Vorstellungen von Religion bewahrten die Menschen davor, fatalistisch oder hoffnungslos pessimistisch zu werden; sie glaubten, wenigstens etwas tun zu können, um ihr Schicksal zu beeinflussen. Die Religion der Phantomfurcht prägte den Menschen tief ein, dass sie ihr Verhalten regeln mussten, dass es eine übermaterielle Welt gab, die die menschliche Bestimmung in der Hand hatte.

86:7.4

Die modernen zivilisierten Rassen sind gerade im Begriff, die Furcht vor den Phantomen als den Verantwortlichen für glückliche und unglückliche Zufälle und für die gewöhnlichen Ungleichheiten der Existenz abzustreifen. Die Menschheit befreit sich von der Knechtschaft, Unglück mit dem Wirken von Phantomgeistern zu erklären. Aber während die Menschen im Begriff sind, die irrige Vorstellung aufzugeben, dass die Wechselfälle des Lebens durch Geister verursacht werden, legen sie eine erstaunliche Bereitschaft an den Tag, eine fast ebenso trügerische Lehre anzunehmen, die sie einlädt, alle menschlichen Ungleichheiten politischen Fehlanpassungen, sozialer Ungerechtigkeit und industriellem Wettbewerb zuzuschreiben. Aber neue Gesetze, zunehmende Philanthropie und verstärkte industrielle Reorganisation, wie gut sie an sich auch immer sein mögen, werden die Tatsachen der Geburt und die Zwischenfälle des Lebens nicht wegräumen. Einzig das Verständnis der Tatsachen und weise Manipulation im Rahmen der Naturgesetze werden den Menschen befähigen, zu erhalten, was er wünscht, und zu vermeiden, was er nicht wünscht. Wissenschaftliche Kenntnisse, die zu wissenschaftlichem Handeln führen, sind das einzige Gegenmittel gegen so genannte zufällige Übel.

86:7.5

Industrie, Krieg, Sklaverei und Zivilregierung entstanden als Antwort auf die gesellschaftliche Entwicklung des Menschen in seinem natürlichen Umfeld; in gleicher Weise entstand die Religion als seine Antwort auf das illusorische Umfeld einer eingebildeten Phantomwelt. Die Religion war eine evolutionäre Entwicklung der Selbsterhaltung, und sie hat funktioniert, obwohl sie ursprünglich von irrigen und völlig unlogischen Vorstellungen ausging.

86:7.6

Durch die mächtige, überwältigende Kraft unbegründeter Furcht hat die primitive Religion den Boden des menschlichen Verstandes für das Geschenk einer wirklichen geistigen Kraft übernatürlichen Ursprungs, für den Gedankenjustierer, bereitet. Und seither haben sich die göttlichen Justierer stets bemüht, Gottesfurcht in Gottesliebe umzuwandeln. Die Evolution ist vielleicht langsam, aber sie ist von unfehlbarer Wirksamkeit.

86:7.7

[Dargeboten von einem Abendstern Nebadons.]


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