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Die Attribute Gottes

5. Des Vaters höchste Herrschaft

3:5.1

Im Kontakt mit seinen Nach-Havona-Schöpfungen übt der Universale Vater seine unendliche Macht und endgültige Autorität nicht direkt, sondern über seine Söhne und die ihnen unterstellten Persönlichkeiten aus. Und Gott tut all das aus eigenem freien Willen. Sämtliche übertragenen Vollmachten könnten direkt ausgeübt werden, wenn ein Anlass dazu bestünde und der göttliche Verstand sich dafür entscheiden sollte. Aber in der Regel wird eine solche Maßnahme nur ergriffen, wenn die beauftragte Persönlichkeit es versäumt hat, ihrer göttlichen Treuepflicht nachzukommen. Zu solchen Zeiten, angesichts einer derartigen Verfehlung und innerhalb der Grenzen, die göttliche Macht und göttliches Potential sich vorbehalten, handelt der Vater unabhängig und gemäß den Anordnungen seiner eigenen Wahl; und diese Wahl ist immer von unfehlbarer Vollkommenheit und unendlicher Weisheit.

3:5.2

Der Vater regiert durch seine Söhne; von zuoberst bis zuunterst läuft durch die Universumsorganisation eine ununterbrochene Kette von Regierenden. Diese endet bei den Planetarischen Fürsten, die die Geschicke der evolutionären Planeten der unermesslichen Herrschaftsbereiche des Vaters leiten. Dieser Ausruf ist nicht nur poetisch: „Die Erde und ihre ganze Fülle sind des Herrn.“ Und: „Er setzt Könige ab und setzt Könige ein.“ „Die Allerhöchsten regieren in den Königreichen der Menschen.“

3:5.3

In den Angelegenheiten des menschlichen Herzens mag es nicht immer nach dem Universalen Vater gehen; aber in der Leitung und im Schicksal eines Planeten setzt sich der göttliche Plan durch. Die ewige Absicht der Weisheit und Liebe triumphiert.

3:5.4

Jesus sagte: „Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles; und niemand ist imstande, sie der Hand meines Vaters zu entreißen.“ Wenn ihr die mannigfaltigen Werke Gottes flüchtig betrachtet und die schwindelerregende Immensität seiner nahezu grenzenlosen Schöpfung schaut, mag eure Vorstellung von seinem Primat vielleicht ins Wanken geraten, aber ihr solltet nie in Frage stellen, dass er mit Sicherheit und auf ewig im Paradies, in der Mitte aller Dinge residiert und der wohltätige Vater aller intelligenten Wesen ist. Es gibt nur „einen Gott und Vater aller, der über allen und in allen ist“, „und er existiert vor allen Dingen, und in ihm bestehen alle Dinge“.

3:5.5

Die Ungewissheiten des Lebens und die Wechselfälle der Existenz stehen in keiner Weise im Widerspruch zu der Vorstellung von der universalen Souveränität Gottes. Alles Leben evolutionärer Geschöpfe wird von gewissen Unvermeidlichkeiten bedrängt. Überlegt euch Folgendes:

3:5.6

1. Ist Mut – Charakterstärke – wünschenswert? Dann muss der Mensch in einer Umgebung aufwachsen, die den Kampf mit der Not und die Reaktion auf Enttäuschungen notwendig macht.

3:5.7

2. Ist Altruismus – Dienst an seinen Mitmenschen – wünschenswert? Dann muss die Lebenserfahrung dafür sorgen, dass man Situationen sozialer Ungleichheit begegnet.

3:5.8

3. Ist Hoffnung – sublimes Vertrauen – wünschenswert? Dann muss die menschliche Existenz dauernd mit Unsicherheiten und wiederkehrenden Ungewissheiten konfrontiert werden.

3:5.9

4. Ist Glaube – die allerhöchste Bejahung menschlichen Denkens – wünschenswert? Dann muss sich der Verstand des Menschen in jener misslichen Lage befinden, in der er immer weniger weiß, als er glauben kann.

3:5.10

5. Ist Wahrheitsliebe und die Bereitschaft zu gehen, wohin auch immer sie führen mag, wünschenswert? Dann muss der Mensch in einer Welt aufwachsen, wo der Irrtum gegenwärtig und die Lüge immer möglich ist.

3:5.11

6. Ist Idealismus – die sich dem Göttlichen nähernde Vorstellung – wünschenswert? Dann muss der Mensch in einem Umfeld relativer Güte und Schönheit kämpfen, in einer Umgebung, die den unwiderstehlichen Drang nach besseren Dingen stimuliert.

3:5.12

7. Ist Treue – Hingabe an höchste Pflicht – wünschenswert? Dann muss der Mensch inmitten von Möglichkeiten des Verrats und der Desertion vorwärts gehen. Der Wert der Pflichttreue liegt in der in ihr mitenthaltenen Gefahr der Verfehlung.

3:5.13

8. Ist Selbstlosigkeit – der Geist der Selbstvergessenheit – wünschenswert? Dann muss der sterbliche Mensch mit einem unaufhörlich nach Anerkennung und Ehre schreienden, unvermeidlichen Selbst leben. Der Mensch könnte sich nicht auf dynamische Weise für das göttliche Leben entscheiden, wenn er kein selbstisches Leben aufzugeben hätte. Nie würde der Mensch rettenden Halt in der Rechtschaffenheit suchen, wenn es nichts potentiell Übles anzubeten gäbe, das, im Kontrast zum Guten stehend, von diesem zu unterscheiden wäre.

3:5.14

9. Ist Freude – Befriedigung im Glücklichsein – wünschenswert? Dann muss der Mensch in einer Welt leben, wo die Alternative von Schmerz und die Wahrschein­lichkeit von Leid stets gegenwärtige Erfahrungsmöglichkeiten sind.

3:5.15

Im gesamten Universum wird jede Einheit als ein Teil des Ganzen betrachtet. Das Fortleben des Teils hängt von der Zusammenarbeit mit dem Plan und Ziel des Ganzen ab, vom Herzenswunsch und von der vollkommenen Bereitschaft, den göttlichen Willen des Vaters auszuführen. Die einzige evolutionäre Welt ohne Irrtum (ohne die Möglichkeit eines unweisen Urteils) wäre eine Welt ohne freie Intelligenz. Im Universum von Havona gibt es eine Milliarde vollkommener Welten mit ihren vollkommenen Einwohnern, aber der sich entwickelnde Mensch muss fehlgehen können, wenn er frei sein soll. Freie und unerfahrene Intelligenz kann unmöglich von Anfang an in allem gleich weise sein. Die Möglichkeit eines Fehlurteils (des Üblen) wird nur dann zur Sünde, wenn der menschliche Wille einer vorsätzlichen unmoralischen Entscheidung bewusst beipflichtet und sie sich wissentlich zu eigen macht.

3:5.16

Die volle Würdigung von Wahrheit, Schönheit und Güte liegt in der Natur der Vollkommenheit des göttlichen Universums. Die Bewohner der Welten von Havona haben es nicht nötig, bei ihren Entscheidungen durch das Potential von relativen Wertebenen angeregt zu werden; derart vollkommene Wesen sind fähig, das Gute ohne die mit ihm kontrastierenden und das Denken herausfordernden sittlichen Situationen zu erkennen und zu wählen. Aber alle solch vollkommenen Wesen sind das, was sie ihrer sittlichen Natur und ihrem geistigen Rang nach sind, aufgrund der Tatsache ihrer Existenz. Sie haben sich ihr Vorwärtskommen erfahrungsmäßig lediglich innerhalb des ihnen angeborenen Status verdient. Der sterbliche Mensch verdient sich sogar den Rang eines Anwärters für den Aufstieg mit seinem Glauben und seiner Hoffnung. Alles Göttliche, das der menschliche Verstand erfasst und die menschliche Seele erwirbt, ist auf dem Erfahrungsweg erreicht worden; es ist eine Realität der persönlichen Erfahrung und deshalb ein einzigartiger Besitz im Unterschied zu der angeborenen Güte und Rechtschaffenheit der unfehlbaren Persönlichkeiten Havonas.

3:5.17

Die Geschöpfe Havonas sind von Natur aus mutig, aber sie sind nicht in menschlichem Sinne tapfer. Sie sind natürlicherweise freundlich und rücksichtsvoll, aber kaum auf menschliche Art altruistisch. Sie erwarten eine angenehme Zukunft, aber sie hoffen nicht in der wunderbaren Art der vertrauensvollen Sterblichen der unsicheren evolutionären Planeten. Sie haben Vertrauen in die Stabilität des Universums, aber der rettende Glaube, dank dessen der Sterbliche vom Zustand eines Tieres bis zu den Pforten des Paradieses aufsteigt, ist ihnen völlig fremd. Sie lieben die Wahrheit, aber sie kennen ihre die Seele rettenden Eigenschaften nicht. Sie sind Idealisten, aber sie wurden als solche geboren; sie wissen nichts von dem Entzücken, durch belebende Entscheidung zu solchen zu werden. Sie sind treu, aber nie haben sie die freudige Erregung erfahren, angesichts der Einladung zu Pflichtvergessenheit von ganzem Herzen und intelligent ihrer Pflicht zu leben. Sie sind selbstlos, aber nie haben sie durch die großartige Bezwingung eines streitlustigen Selbst solche Erfahrungsebenen erreicht. Sie genießen Freude, aber sie können das wonnevolle Entrinnen aus möglichem Leid in die Freude nicht verstehen.


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