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Johannes der Täufer

6. Johannes beginnt zu predigen

135:6.1

Im frühen März des Jahres 25 n. Chr. wanderte Johannes um die Westküste des Toten Meeres herum den Jordan entlang hinauf bis zur alten Furt gegenüber Jericho, welche Josua und die Kinder Israels passierten, als sie zum ersten Mal das verheißene Land betraten. Er begab sich auf die andere Seite des Flusses, ließ sich am Zugang der Furt nieder und begann, zu den Leuten zu predigen, die den Fluss in der einen oder anderen Richtung überquerten. Von allen Jordanübergängen war dies der am meisten benutzte.

135:6.2

Allen, die Johannes hörten, war es klar, dass er mehr war als ein Prediger. Die große Mehrzahl derer, die diesem seltsamen Mann zuhörten, der aus der Wildnis Judäas heraufgekommen war, ging in dem Glauben fort, die Stimme eines Propheten gehört zu haben. Es ist nicht verwunderlich, dass die Seelen dieser ermatteten und erwartungsvollen Juden durch eine solche Erscheinung zutiefst aufgewühlt wurden. Nie in der ganzen jüdischen Geschichte hatten sich die frommen Kinder Abrahams so sehr nach der „Tröstung Israels“ gesehnt oder die „Wiederherstellung des Königreichs“ glühender erhofft. Nie in der ganzen jüdischen Geschichte hätte die Botschaft des Johannes „das Königreich des Himmels ist nah“ eine so tiefe und universelle Anziehung ausüben können als gerade zu dem Zeitpunkt, da Johannes auf so geheimnisvolle Weise am Ufer des südlichen Übergangs über den Jordan auftauchte.

135:6.3

Er kam aus dem Volk der Hirten wie Amos. Er war gekleidet wie einst Elija, und er donnerte seine Mahnungen und stieß seine Warnungen „im Geist und mit der Gewalt Elijas“ aus. Es ist nicht erstaunlich, dass dieser seltsame Prediger ganz Palästina in gewaltige Aufregung versetzte, als die Reisenden die Nachrichten von seiner Predigertätigkeit am Jordan ins Land hinaustrugen.

135:6.4

Es gab da noch ein anderes und neues Merkmal in der Tätigkeit dieses nasiräischen Predigers. „Zur Vergebung der Sünden“ taufte er im Jordan jeden, der ihm glaubte. Obwohl die Taufe bei den Juden keine neue Zeremonie darstellte, hatten sie diese nie in der Weise anwenden gesehen, wie Johannes sich ihrer bediente. Es war seit langem Brauch, heidnische Proselyten in dieser Art zu taufen, um sie in die Gemeinschaft des äußeren Tempelhofs zuzulassen, aber nie war von den Juden verlangt worden, sich selber der Bußtaufe zu unterziehen. Zwischen dem Zeitpunkt, da Johannes zu predigen und zu taufen begann, und seiner durch Herodes Antipas verfügten Verhaftung und Einkerkerung verflossen nur fünfzehn Monate; aber in dieser kurzen Zeit taufte er weit über hunderttausend Reuige.

135:6.5

Johannes predigte vier Monate an der Furt bei Bethanien, bevor er am Jordan entlang weiter nordwärts zog. Zehntausende von Zuhörern, einige neugierige, aber auch viele aufrichtige und ernste, kamen aus allen Teilen Judäas, Peräas und Samarias, um ihn zu hören. Einige wenige kamen sogar aus Galiläa.

135:6.6

Im Mai dieses Jahres, als er immer noch an der Furt bei Bethanien weilte, entsandten die Priester und Leviten eine Abordnung, um Johannes zu fragen, ob er den Anspruch erhebe, der Messias zu sein, und kraft welcher Autorität er predige. Johannes antwortete diesen Fragestellern mit den Worten: „Geht und sagt euren Herren, dass ihr ‚die Stimme eines, der in der Wildnis ruft‘, gehört habt, wie der Prophet es mit den Worten sagte: ‚Bereitet dem Herrn einen Weg, baut unserem Gott eine Straße. Jedes Tal soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel eingeebnet werden; das Hügelland soll zur Ebene und zerklüftete Gegenden sollen zu sanften Tälern werden; und alles Fleisch soll Gottes Heil sehen.‘“

135:6.7

Johannes war ein heldenhafter, aber taktloser Prediger. Eines Tages, als er am Westufer des Jordans predigte und taufte, traten eine Pharisäergruppe und einige Sadduzäer vor und meldeten ihren Wunsch an, getauft zu werden. Bevor er sie ins Wasser hinunterführte, sprach Johannes sie mit folgenden Worten als Gruppe an: „Wer hat euch gewarnt, vor dem kommenden Zorn zu fliehen wie Vipern vor dem Feuer? Ich werde euch taufen, aber ich ermahne euch, Früchte zu tragen, die aus einer aufrichtigen Reue hervorgehen, wenn ihr die Vergebung eurer Sünden erhalten wollt. Erzählt mir nicht, Abraham sei euer Vater. Ich erkläre, dass Gott imstande ist, aus diesen zwölf Steinen hier vor euch würdige Kinder Abrahams zu erwecken. Und eben jetzt wird die Axt an die Wurzeln der Bäume gelegt. Jeder Baum, der keine guten Früchte trägt, ist dazu bestimmt, gefällt und ins Feuer geworfen zu werden.“ (Die zwölf Steine, auf die er anspielte, waren die berühmten Gedenksteine, die Josua genau an dieser Stelle des Eintritts ins gelobte Land zur Erinnerung an die Überquerung der „zwölf Stämme“ hatte setzen lassen.)

135:6.8

Johannes gab seinen Jüngern Unterricht, in dessen Verlauf er ihnen Anleitung für die Einzelheiten ihres neuen Lebens gab und sich bemühte, auf ihre vielen Fragen zu antworten. Er riet den Lehrern, sowohl nach dem Geist als auch nach dem Buchstaben des Gesetzes zu unterrichten. Er wies die Reichen an, den Armen zu essen zu geben. Den Steuereinziehern sagte er: „Erzwingt nicht mehr, als was euch aufgetragen ist.“ Den Soldaten sagte er: „Tut keine Gewalt und fordert nichts zu Unrecht ein – seid mit eurem Sold zufrieden.“ Und allen riet er: „Macht euch bereit für das Ende des Zeitalters – das Königreich des Himmels ist nahe.“


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