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Religion in menschlicher Erfahrung

3. Konzepte höchsten Wertes

100:3.1

Religion ist keine Methode zur Erlangung eines statischen und wonnevollen Seelenfriedens; sie ist ein Impuls, der die Seele für dynamischen Dienst organisiert. Sie ist das Engagement des ganzen Selbst in der treuen Hingabe an die Liebe Gottes und den Dienst an den Menschen. Die Religion ist bereit, jeden Preis zu bezahlen, der zur Erlangung des höchsten Ziels, der ewigen Belohnung, wesentlich ist. In religiöser Treue liegt eine Vollständigkeit des Geweihtseins von wunderbarer Sublimität. Und solche Treue ist sozial wirksam und geistig progressiv.

100:3.2

Für den Gläubigen wird das Wort Gott zu einem Symbol, das die Annäherung an die höchste Realität und die Anerkennung göttlicher Werte bedeutet. Menschliche Vorlieben und Abneigungen bestimmen nicht, was gut und böse ist; sittliche Werte gehen nicht aus der Erfüllung von Wünschen oder aus enttäuschten Gefühlen hervor.

100:3.3

Bei der Betrachtung von Werten müsst ihr zwischen dem unterscheiden, was ein Wert ist, und dem, was einen Wert hat. Ihr müsst die Beziehung erkennen zwischen angenehmen Tätigkeiten und ihrer bedeutungsvollen Integration und gesteigerten Verwirklichung auf immer höheren Ebenen menschlicher Erfahrung.

100:3.4

Die Bedeutung ist etwas, was die Erfahrung dem Wert hinzufügt; sie ist das würdigende Wissen um Werte. Ein isoliertes und rein selbstbezogenes Vergnügen kann eine praktische Abwertung von Bedeutungen, einen bedeutungslosen Genuss darstellen, der an relatives Übel grenzt. Werte werden dann zu Erfahrungen, wenn die Realitäten bedeutungsvoll sind und mental miteinander verbunden werden, wenn solche Verbindungen vom Verstand erkannt und gewürdigt werden.

100:3.5

Werte können nie statisch sein; Realität bedeutet Veränderung, Wachstum. Veränderung ohne Wachstum, ohne Bedeutungserweiterung und Steigerung der Werte – ist wertlos, potentiell übel. Je höher die Qualität kosmischer Anpassung ist, umso mehr Bedeutung besitzt jede Erfahrung. Werte sind keine vorstellungsmäßigen Illusionen, sie sind wirklich, aber sie hängen immer von der Tatsache von Beziehungen ab. Werte sind immer zugleich wirklich und potentiell – nicht was war, sondern was ist und was sein soll.

100:3.6

Die Verknüpfung von Wirklichem und Potentiellem ist gleich Wachstum, erfah­rungs­mäßige Verwirklichung von Werten. Aber Wachstum ist nicht nur Fortschritt. Fortschritt ist immer bedeutungsvoll, aber ohne Wachstum ist er relativ wertlos. Der höchste Wert des Menschenlebens besteht im Wachstum von Werten, im Fortschritt der Bedeutungen und in der Verwirklichung der kosmischen gegenseitigen Verflechtung dieser beiden Erfahrungen. Und ebendiese Erfahrung ist gleichbedeutend mit Gottesbewusstsein. Ein solcher Sterblicher wird, wenn auch nicht übernatürlich, so doch wahrhaft übermenschlich; eine unsterbliche Seele entwickelt sich.

100:3.7

Der Mensch kann Wachstum nicht verursachen, aber er kann günstige Bedingungen dafür schaffen. Wachstum, ob physischer, intellektueller oder geistiger Natur, geschieht immer unbewusst. Die Liebe wächst in dieser Art; sie kann nicht geschaffen, hergestellt oder gekauft werden; sie muss wachsen. Die Evolution ist eine kosmische Wachstumstechnik. Gesellschaftliches Wachstum kann nicht durch Gesetzgebung herbeigeführt werden, und sittliches Wachstum ist nicht durch eine verbesserte Verwaltung zu haben. Der Mensch kann eine Maschine herstellen, aber seinen wahren Wert muss er aus menschlicher Kultur und persönlicher Würdigung beziehen. Des Menschen einziger Beitrag zum Wachstum ist die Mobilisierung sämtlicher Kräfte seiner Persönlichkeit – sein lebendiger Glaube.


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